Object: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

144 XIV. Der Culturkampf. 
Nach Falks Rücktritt trat an Bismarck die Frage heran, „ob 
und wie weit er bei der Wahl eines neuen Cultusministers die 
mehr juristische als politische Linie Falks im Auge behalten oder 
seinen mehr gegen Polonismus als gegen Katholicismus ge- 
richteten Auffassungen ausschließlich folgen sollte“. Maßgebend 
für die Entscheidung war die parlamentarische Lage. Seitdem 
die Fortschrittspartei mit fliegenden Fahnen in's Centrums- 
lager übergegangen war, mit Ultramontanen, Polen, Welfen 
und Franzosenfreunden aus den Reichslanden im Bunde eine 
Opposition bildete, die die Regierungspolitik auf Schritt und 
Tritt lähmte, seitdem die Conservativen immer dringender den 
Frieden mit der römischen Kirche forderten, weil sie — in 
hochkirchlich-protestantischen Anschauungen befangen — manchem 
der kirchenpolitischen Gesetze innerlich fremd gegenüberstanden, 
war Bismarck verpflichtet, zu erwägen, ob der nationale 
Schaden bei Fortdauer des Culturkampfes nicht größer werden 
könnte als bei Verzicht auf den seiner Ansicht nach entbehr- 
lichen Theil der Falkschen Gesetzgebung. Für nicht entbehr- 
lich hielt er die durch Gesetz vom 18. Juni 1875 erfolgte Be- 
seitigung der Artikel 15, 16 18 der preußischen Verfassung, 
die Kampfmittel gegen den Polonismus und vor allem die 
Herrschaft des Staates über die Schule. Die Verständigung 
freilich über die Grenze, bis zu der der Curie entgegenge- 
kommen werden dürfte, war nicht so leicht. Herr v. Puttkammer, 
wenn er auch im Prinzip mit Bismarck einig war, hatte doch 
gegen die „culturkampfgewöhnten“ Räthe seines Ministeriums 
einen schweren Stand, nicht minder gegen die hohe evangelische 
Geistlichkeit, deren Einfluß auf Se. Majestät damals stärker 
war als vordem der katholisirende der Kaiserin. Nach jahre- 
langer Arbeit gelang es, ohne neue Cabinetskrisen die Revision 
der Maigesetzgebung einzuleiten und bis zum Jahre 1886 
durch Beseitigung der „maigesetzlichen Verbote geistlicher 
Thätigkeit“ und des „juristischen Fangapparates für wider- 
strebende Priester“ „den modus vivendi zu erreichen, der 
immer noch, verglichen mit dem status quo vor 1871, ein für 
den Staat günstiges Ergebniß des ganzen Culturkampfes 
aufweist“.
	        
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