Full text: Gesetzblatt für das Königreich Bayern. 1871-1872. (23)

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vollendet hatte, lediglich aus dem Grunde für 
nicht schuldig, weil dieselbe bei Begehung der 
That die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit er- 
forderliche Einsicht nicht besessen hatte, so müssen 
sie dieses bei ihrem Ausspruche angeben und der 
Schwurgerichtspräsident hat sie darauf, daß dieß 
geschehen müsse, ausdrücklich aufmerksam zu machen. 
Art. 76. 
Gegen jedes Urtheil, welches über die Unter- 
bringung eines Angeschuldigten, der zur Zeit 
der That das 18. Lebensjahr noch nicht zurück- 
gelegt hatte, in einer Erziehungs= oder Besse- 
rungsanstalt entscheidet, steht dem Staatsanwalte, 
dem Angeschuldigten und derjenigen Person, 
welche das Recht der Erziehung des letzteren 
hat, das Rechtsmittel der Berufung, beziehungs- 
weise der Nichtigkeitsbeschwerde zu. Ist die Ent- 
scheidung gelegenheitlich der Einstellung des Ver- 
fahrens in geheimer Sitzung erlassen worden, 
so läuft dem Angeschuldigten und demjenigen, 
welchem das Recht der Erziehung desselben zu- 
steht, die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels 
von dem Tage an, an welchem einem Jeden der- 
selben das Erkenntniß zugestellt oder eröffnet 
wurde. 
Ist das Erkenntniß in öffentlicher Sitzung er- 
lassen worden, jedoch derjenige, welchem das 
Recht der Erziehung des Angeschuldigten zusteht, 
zur Verhandlung in dieser Eigenschaft oder als 
Mitbeschuldigter nicht vorgeladen gewesen, so 
läuft ihm die Frist zur Anmeldung der Beru- 
sung, beziehungsweise der Nichtigkeitsbeschwerde, 
gleichfalls erst von dem Tage an, an welchem 
ihm die Entscheidung zugestellt oder eröffnet wurde. 
Das Recht des Einspruches steht dem Erzieh- 
ungsberechtigten als solchen niemals zu. 
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II. Besondere Bestimmungen. 
1. Verfahren in Uebertretungssachen in 
den Landestheilen rechts des Rheins. 
Art. 77. 
In den Landestheilen rechts des Rheins hat 
sich das Verfahren in den zur Zuständigkeit der 
Einzelnrichter gehörigen Uebertretungssachen, so- 
weit für dieselben nicht durch Specialgesetze be- 
sondere Eigenthümlichkeiten vorgeschrieben sind, 
und vorbehaltlich der im gegenwärtigen Gesetze, 
namentlich in den Art. 78 bis 89 enthaltenen 
besonderen Bestimmungen im Allgemeinen nach 
den für das Verfahren in Vergeheussachen, welche 
zur bezirksgerichtlichen Zuständigkeit gehören, 
vorgezeichneten Grundsätzen zu richten. 
Art. 78. 
Eine Voruntersuchung findet bei den in Art.77 
bezeichneten Uebertretungen nicht statt. Ist eine 
Uebertretung angezeigt, so hat der Staatsanwalt 
die an ihn gekommene oder von ihm kurz auf- 
genommene und nöthigenfalls durch weitere Er- 
kundigung vervollständigte Anzeige dem Richter 
mit dem schriftlichen oder mündlichen Antrage 
auf Festsetzung der Hauptverhandlung zu über- 
geben. Sowohl dem Richter als dem Staats- 
anwalte steht die Befugniß zu, wenn sie Auf- 
schlüsse oder Erhebungen für nöthig erachten, 
dieselben von den Polizeibehörden oder der 
Gendarmerie zu erholen. 
Art. 79. 
Ist der Beschuldigte verhaftet, so muß der in 
Art. 78 bezeichnete Antrag längstens binnen vier- 
undzwanzig Stunden gestellt und, falls nicht be- 
sondere Hinderungsursachen entgegenstehen, so- 
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