Full text: Gesetzblatt für das Königreich Bayern. 1871-1872. (23)

167 
Bezirksgerichtes des Ortes, wo das Schwur- 
gericht gehalten wurde, andernfalls des urthei- 
lenden Gerichts erster Instanz in Haft genom- 
men werden. 
Er kann auch ohne richterlichen Befehl von 
Polizeibehörden, Gendarmen und anderen Die- 
nern der öffentlichen Gewalt sestgenommen, muß 
aber dann unverzüglich dem zuständigen Gerichte 
vorgeführt werden. Ist letzteres, weit entfernt, 
so muß der Festgenömmene, wenn er es verlangt, 
dem nächstgelegenen Bezirksgerichte vorgeführt 
werden, das, falls es die Annahme, daß er auf 
der Flucht begriffen gewesen sei, als unrichtig 
erkennt, seine Freilassung, andernfalls seine Ab- 
lieferung an das zuständige Gericht verfügt. 
Art. 141. 
Außerdem ist bei allen strafbaren Handlungen 
die provisorische Festnahme derjenigen, welche 
auf frischer That betreten werden, dann gestattet, 
wenn fie sich über ihre Person nicht befriedigend 
auszuweisen vermögen oder die Festnahme noth- 
wendig ist, um die Fortsetzung der strafbaren 
Handlung zu verhindern. Diese Festnahme kann 
auch ohne richterlichen Befehl von Polizeibehör= 
den, Gendarmen und anderen Dienern der öf- 
fentlichen Gewalt vorgenommen werden. Die- 
selben müssen jedoch den Festgenommenen, falls 
er nicht von ihnen selbst wegen Wegfalls der Ur- 
sachen der Festnahme wieder alsbald freigegeben 
wird, ohne Verzug dem zuständigen Staatsan- 
walte, Untersuchungsrichter oder Einzelnrichter 
vorführen oder vorführen lassen. Der Unter- 
suchungs= oder Einzelnrichter kann den in solcher 
Weise Vorgeführten wegen jeder strafbaren Hand- 
lung in Untersuchungshaft nehmen und Verhafts-, 
beziehungsweise Verwahrungsbefehl gegen ihn 
158 
erlassen, muß ihn aber, wenn ein anderer Grund 
der Verhaftung nicht besteht, unverzüglich wieder 
in Freiheit setzen, sobald er sich über seine Per- 
son befriedigend ausweist, beziehungsweise eine 
Fortsetzung der strafbaren Handlung nach den 
Umständen mit Grund nicht mehr zu befürchten 
ist. Ist die Festnahme nur zu dem Zwecke an- 
geordnet worden, um die Fortsetzung der straf- 
baren Handlung zu verhindern, so darf dieselbe 
in keinem Falle über 24 Stunden fortgesetzt 
werden. 
Art. 142. 
Der auf Befehl des Untersuchungsrichters 
oder eines Einzelnrichters in Untersuchungshaft 
Gebrachte hat das Recht, sich jeden Augenblick 
wegen seiner Verhaftung beim Bezirksgerichte 
zu beschweren und seine Freilassung zu verlangen. 
Er kann die Beschwerde schriftlich selbst oder 
durch einen Anwalt oder sonstigen Bevollmäch- 
tigten einreichen oder dem Gerichtsschreiber des 
Bezirks-, beziehungsweise Einzelngerichts zu 
Protokoll geben. 
Das Bezirksgericht entscheidet darüber in ge- 
heimer Sitzung nach schriftlicher oder mündlicher 
Vernehmung des Staatsanwaltes. Ein Rechts- 
mittel ist gegen diese Entscheidung nicht zulässig. 
Hat auf den Grund der Bestimmungen des 
Art. 140 ein Bezirksgericht oder Einzelngericht die 
Verhaftung eines durch dasselbe Verurtheilten 
angeordnet, so steht letzterem hiegegen die Be- 
rufung dann zu, wenn er auch in der Haupt- 
sache Berufung eingelegt hat und über diese noch 
nicht entschieden ist. Das zur Bescheidung der 
Berufung zuständige Gericht kann in einem sol- 
chen Falle selbst vor Verhandlung der Haupt- 
sache durch einen nach schriftlicher oder münd- 
licher Vernehmung des Staatsanwaltes in ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.