kungen befreit und rein herausgestellt wird, für ihn
selbst wie für die anderen: so sind die größten Schick-
sale der Dölker immer die, in denen sie sich selbst finden.
Man suche dieses Wir-selbst-Derden nicht im Nega-
tiven, nicht darin, daß wir Sremdwörter, französische
Moden und englische Sitten abtun. Sich daran genügen
zu lassen, wäre noch immer eine bhängigkeit vom
Ausland, wenn auch mit umgekehrtem Dorzeichen, und
träfe den wesentlichsten Hunkt nicht. Im Gegenteil,
wenn wir nur erst das Sein und Bewußtsein dessen,
was wir als Deutsche sind, ganz rein und positiv ge-
wonnen haben, können wir ohne Gefahr uns aneignen,
was die ganze europäische Kultur an Werten zu bieten
hat. Ireilich muß dieser Drozeß, in dem wir werden,
was wir eigentlich sind, wie ich sagte, sich zunächst an
dem Gegensatz zum Sremden vollziehen. ber dies ist
nur ein Durchgangsstadium, binter dem, als letzter
Ertrag dieses Krieges, die Eigenform und das Gesetz
des deutschen Lebens als solchen steht. Indem die
politische Einheit Deutschlands die Dorbedingung und
der Träger dieses reinen Selbst-Seins ist, vollendet sich
1870 erst mit unserm jetzigen Erlebnis — wie der Kör-
per erst in seiner Einheit gebaut sein muß, damit die
Seele sich in ihm zu Bestimmtheit und Selbständigkeit
entwickle.
Professor Georg Simmel,
Straßburg.
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