Metadata: Archiv für öffentliches Recht. Band 22 (22)

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des Wahlrechtes durch gewisse allgemeine sittliche und intellek- 
tuelle Erfordernisse als durch den Besitz der Staatsbürgerschaft, 
den vollen Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte, Hand- 
lungsfähigkeit, männliches Geschlecht, bestimmtes Lebensalter, 
gedacht, welche einen grossen Teil der Staatsbewohner vom Wahl- 
rechte ausschliessen, sondern an jene Differenzierungen innerhalb 
des Wahlrechtes, welche durch die eigenartigen kulturellen 
und wirtschaftlichen Verhältnisse des österreichischen 
Staates herbeigeführt werden. 
Dieselben kommen zum Ausdruck namentlich in der Zusam- 
mensetzung der Wahlbezirke, welche nicht nach einem be- 
stimmten Schlüssel der Bevölkerungszahl gebildet sind, sondern 
ganz verschiedene Ziffern und eine nicht ganz einheitliche Ge- 
staltung ausweisen. Auch in den übrigen Staaten mit allgemei- 
nem, „gleichen“ Wahlrechte finden sich zwar namentlich nume- 
rische Unterschiede in der Bevölkerungszahl der Wahlbezirke 
vor; dieselben sind aber hier zumeist erst im Laufe der Zeit 
durch die normale Entwickelung der Bevölkerung, namentlich 
infolge Ueberwanderung entstanden, sie sind aber nicht von vorne- 
herein durch das Gesetz beabsichtigt. So haben sich die Wahl- 
kreise für den deutschen Reichstag, welche ursprünglich 
auf Grundlage einer Bevölkerungszahl von 100000 Einwohnern 
innerhalb der Gliedstaaten beruhten !, namentlich durch die 
Ueberwanderung in grössere Städte infolge des industriellen Auf- 
schwunges wesentlich zum Nachteile der städtischen Bevölkerung 
geändert. Aehnliche Verhältnisse bestehen in Frankreich, 
woselbst durch die periodische Revision des Wahlgesetzes die ur- 
sprüngliche Bevölkerungszahl der Wahlkreise tunlichst aufrecht 
ı 85 Wahlges. vom 31. Mai 1869, BGBl. S. 145. 
2 Vgl. G. MEYER-JELLINEK, Das parlamentarische Wahlrecht 1901. 
Danach zählt der stärkste Wahlkreis Berlin VI gegenwärtig ca. 586 929, 
dagegen der Wahlkreis Löwenberg bloss 60511 Einwohner; vgl. auch 
Knorr Statistik der Wahlen zum ersten Reichstag, Hır'rms Annalen 1872.
	        
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