106 Die Zeit von 1854 bis 1865.
dieß zu erlangen, nicht an die Königliche Justizbehörde, son-
dern an die Huld und Geneigtheit des durchlauchtigsten
Prinzen wende, den ich um Seine gnädige Vermittelung
zwischen dem beleidigten Rechte und dem schutzbedürftigen
Künstler anflehe.
Gestatten mir nun Eure Königliche Hoheit, mit Wenigem
zu bezeichnen, welche die Lage ist, aus der ich nach verlange.
Kein Musiker war je, wie ich es bin, auf sein sprachliches
Vaterland angewiesen, da ich meine Musik nur zu meinen
Dichtungen schaffen konnte: und Beides, Dichtung und Musik,
so bestimmt, wie nie zuvor, nur auf die deutsche Sprache und
den deutschen Geist begründet sind. Ich habe daher seit meinem
Exil es gänzlich aufgeben müssen, mir und meiner Kunst eine
neue Heimat auf außerdeutschem Boden — etwa in Paris,
wohin sonst am meisten ich dafür angezogen sein konnte, zu
schaffen. Da in meinem gegenwärtigen Asyl, der deutschen
Schweiz, die Theater in so dürftigem Zustande sind, daß ich
mich unmöglich mit ihnen befassen kann, so lebe ich daher seit
den neun Zahren meiner Flüchtlingschaft ohne alle Denk-
barkeit, meine Arbeiten mir zu Gehör zu bringen. Somit
konnte ich weder mein letztes, noch in Dresden geschriebenes
Werk, die Oper „Lohengrin“, noch meine neueren Arbeiten
mir vorführen, und so häufte ich nun zu der genannten fast
volle drei neue Partituren, „das Abeingold“, die Walküre“,
„der junge Siegfried", die stumm und schweigend aus dem
Bücherschranke mich an meine traurige Lage mahnen. Da aber
die Beschäftigung mit meiner Kunst mich einzig am Leben
zu erhalten vermag, so bin ich gegenwärtig wieder an die
Ausführung einer neuen dramatischen Arbeit gegangen, fühle
nun aber mein Herz vor Wehmuth und Kummer gebrochen,
und meinen Geist von der trostlosen Vorstellung, auch dieses
Werk nicht aufführen zu können, so gelähmt und gefesselt,
daß ich, zeigt sich mir keine Aussicht auf eine nahe bevor-
stehende Anderung meiner Lage, die bisher mühsam aufrecht
erhaltene Kraft mir entschwinden sehe. Zu diesen geistigen