Schreiben Bismarcks zum Negierungsantritt. 217
des letzteren bin. Ich würde dieses Amt niederlegen, sobald
mir nicht mehr gestattet wäre, es in letzterem Sinn zu führen.
In den neuen unfertigen Verhältnißen des Neichs ist die
richtige Haltung gegen die unitarischen Strömungen ebenso
schwierig wie gegen die particularistischen, und unter den
letzteren ist bisher, wie ich nicht leugnen kann, die Preußische
die für die Konsolidierung des Aeichs bedenklichste. Es liegt
das in der Tradition unserer Bureaukratie, die sich nicht klar
macht, daß nicht der König von Preußen, sondern der deutsche
Kaiser verfaßungsmäßige Rechte außerhalb der Grenzen des
Preußischen Staates übt. Das Verständniß für diese Grund-
gedanken finde ich nicht bei allen meinen Preußischen Mit-
arbeitern. Die Unitarier dagegen vergeßen ein halbes Jahr-
tausend unserer Geschichte und daß das Beste des Guten
Feind ist.
Eurer Moajestät würde ich zu unterthänigstem Danke ver-
pflichtet sein, wenn Allerhöchstdieselbe gestatten wollte, im
Laufe des Winters meine Aufwartung in Oresden zu machen.“
Mit diesem Austausch von Briefen hat sich ein gegen-
seitiges Vertrauen zwischen dem König und dem Teichs-
kanzler gebildet, das sich zum Segen für unser engeres und
weiteres Vaterland immer enger gestaltete. Hier kann ich
nur das wiederholen, was ich schon in früheren Kapiteln
gesagt. König Albert hatte die seltene Gabe, sich mit Personen
der verschiedensten Richtungen gut zu stellen, ja sogar ihr
Vertrauen zu erlangen. Er war sich des selbst gar nicht
bewußt, hätte wahrscheinlich in seiner Bescheidenheit ab-
gelehnt, wenn man das bei ihm gerühmt hätte. So ist es ihm
zuerst mit Kaiser Wilhelm gegangen, dann mit Moltke und
nun jetzt mit Bismarck, wenn sich auch letzteres während des
Feldzuges vorbereitet hatte. Bismarck hat wiederholt betont,
wie große Stücke er auf König Albert hielt.
Das Königspaar blieb den Winter 1873/74 noch in der alten
Wohnung im Mittelpalais, denn es war natürlich unmöglich,
so schnell den Umzug ins Schloß zu bewerkstelligen. Am