224 Regierungsantritt und erste Königsjahre (1873—78).
den Fasten waren gewöhnlich 1—2 Hofkonzerte. Endlich gab
das Königspaar die sogen. Staatsdienerdiners.
Das Theater wurde sehr viel besucht und erfreute sich be-
sonders seitens Alberts einer großen Beliebtheit. Es gab
fast keine neue Oper, deren Erstaufführung er nicht mit
anhörte. Aber auch das Schauspiel genoß seine lebhafte
Teilnahme. Wie oft besinne ich mich, daß er da auch eine
Erstaufführung besuchte. Als die Versunkene GElocke von
Gerhart Hauptmann zum ersten Male in der Aeustadt auf-
geführt wurde, haben wir Meffen und Aichten mit ihm förm-
liche Diskussionen darüber gehalten.
König Albert war, wie ich das schon im u1. Kapitel etwas
ausgeführt habe, ein großer Musikfreund. Hier möchte ich das
dort Angeführte noch durch Mitteilungen ergänzen, die mir
meine Schwester Mathilde gemacht hat. Seine Mutter hatte
den Kindern viel auf dem Klavier vorgespielt und so Freude
und Interesse an Musik geweckt. Albert hat noch Felix
Mendelssohn-Bartholdy gut gekannt und sogar mit ihm
musiziert. Oft und gern hat er am Klavier mit seinem Bruder
vierhändig gespielt. Seit Alberts Beinbruch spielte letzterer
immer den Baß. Es war eine Freude, die beiden Brüder
klassische Musik spielen zu hören. Wenn es dem König irgend-
wie möglich war, versäumte er kein Symphoniekonzert, keinen
Kammermusikabend, keine Aufführung des Tonkünstlervereins.
Als er einmal ein Jubiläumskonzert des Lauterbachschen
Quartetts nicht hören konnte, bestellte er sich dieses nach
einiger Zeit aufs Schloß, um sich den Genuß nicht entgehen
zu lassen. Bei solchen Gelegenheiten war es seine Freude,
mit den Künstlern über das Werk, die Ausführung und Auf-
fassung desselben und über die anderen Künstler zu sprechen,
von denen er das Werk schon gehört hatte. Bei der Wahl
eines neuen Konzertmeisters für die Kapelle ließ er die Kan-
didaten für die Stellen sich vorspielen, um selbst die Ent-
scheidung zu treffen. Als er in den letzten Jahren seines
Lebens nicht mehr selbst Klavier spielen konnte, bat er Hof-