Besuch Moltkes. Kaisermanöver in Sachsen. 235
Endlich trank er noch auf das Wohl des Königs und seines
Hauses. Am 7. waren Manöber bei Merseburg. Der König
nahm am 8. an der Parade des IV. Korps teil. Beendigt
wurden die Manöbver durch gegenseitige zwischen dem säch-
sischen und dem IV., nach deren Beendigung der Kaiser seine
volle Befriedigung aussprach. Auch der König dankte in
einem besonderen Tagesbefehl den Truppen. Hierauf begab
sich Albert wie alljährlich zu den geliebten Hochgebirgsjagden.
Am 28. November traf die Kaiserin Augusta zum Besuch in
Dresden ein. Sie suchte namentlich mit der Königin Wohl-
tätigkeitsanstalten auf. Etwa zehn Tage später, 8. bis
10. Dezember, weilte das Königspaar in Berlin. Ob das nur
ein Gegenbesuch für den der Kaiserin war, oder ein anderer
Grund vorlag, kann ich nicht ersehen. Sicher hat aber der
König wieder die Gelegenheit wahrgenommen, mit maßgeben-
den Persönlichkeiten Fühlung zu nehmen, um so mehr als
damals die orientalische Frage alle Gemüter beschäftigte.
Wenn er damals, was ich vermute, auch Bismarck traf, so
wird ihm dieser wohl manches Wichtige gesagt haben. Das
darauffolgende Weihnachtsfest sollte das letzte sein, das die
Königin-Mutter noch auf Erden feierte. Daß sie nicht mehr
lange leben würde, mußten wohl alle ihre Kinder annehmen,
aber immer noch hofften sie, die geliebte Mutter noch
einige Zeit bei sich zu haben.
Das neue Jahr 1877 begann mit dem 70jährigen Militär-
jubiläum des alten Kaisers. Mein Vater überbrachte ihm
im Auftrage Alberts die Glückwünsche. Das gesellige Leben
nahm seinen gewohnten Gang. Im März wurden bei Hof
lebende Bilder aufgeführt. Zum Geburtstag des Kaisers, der
dieses Mal besonders gefeiert wurde, begaben sich beide
Majestäten nach Berlin. Es war ja der 80. Geburtstag. Bei
dieser Gelegenheit wurde dem Kaiser von den deutschen
Fürsten und freien Städten das Bild „Die Kaiserproklama-
tion“ von Anton von Werner überreicht. Albert hielt bei der
AUbergabe im Namen aller eine tiefempfundene Nede, die