264 Bis zum Tode Kaiser Wilhelms I. (1878—88).
man sich schon gerüstet, die silberne Hochzeit, die am 11. Mai
sein sollte, zu feiern. Aun kam dieser Schlag. Auch Albert
und Carola hatten schon ein Geschenk vorbereitet, das fast
fertig war. Sie ließen uns sechs Geschwister von der Weister-
hand Leon Pohles malen. Nach einigen Monaten schenkten
sie es doch meinem Vater. Es ist leider vor einigen Jahren
bei einem Brand in der Wohnung meiner Schwester Mathilde
zu Grunde gegangen.
Dieses Mal begab sich der König wieder zu Kaisers Ge-
burtstag nach Berlin. Am 18. Mai reiste er mit seiner Ge-
mahlin nach Ems, wo er die Kur gebrauchte. Von da schreibt
er am 21. an meinen Vater: „Es war bisher noch nicht sehr
voll, doch steigt die Gesellschaft täglich. Morgen werden wir
recht Deiner und Deines Jungen gedenken. Es wird ein recht
trüber Tag in Hosterwitz sein.“ Am 3. Juni schreibt er mir:
„Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, den ich Sonnabend
erhielt, gerade den Tag, wo Abends Dein Bruder Studio
(mein Bruder Friedrich August studierte von 1881—85 in
Straßburg) aus Straßburg eintraf. Er sieht vortrefflich aus
und ist in der besten Stimmung. Hier ist er fleißig unter-
wegs. Mit Freude habe ich bemerkt, daß er sein jetziges Leben
mit derselben Wärme und Lebhaftigkeit auffaßt wie seine
Dienstzeit.“ «
Carola reiste schon am 5. ab, um in Brennerbad eine Kur
zu gebrauchen. Der König folgte ihr am 15. nach. Von dort
schreibt er am 17. an meinen Vater: „Ich schreibe Dir aus
Carolas Eldorado, aber glücklicher Weise dem einzigen heiz-
baren Raum der Wohnung, sonst bekomme ich steife Finger.
Schön war es nur in Possenhofen, wo ich einige frohe Tage
bei der guten Tante verbrachte. Ich fand sie gealtert, aber
frisch, namentlich kann sie noch unglaublich viel gehn und
eßen. Ich sah den Kaiser und die Kaiserin (von Österreich)
nebst Tochter und Enkel. Einmal bei Tisch waren 1 Genera-
tionen anwesend. Der K. war sehr munter, die K. etwas er-
müdet (sehr rothe Aase), aber die Gestalt noch immer die alte.