Letzte Lebenstage. Ausgang. 337
er einen Bock, die Büchse auf meine Schulter auflegend,
geschossen — hoffentlich nicht den Letzten!!
Als ich mich verabschiedete, saß das greise Fürstenpaar
traulich auf einem Sopha in der kleinen Stube neben-
einander. Ich neigte mich tief ergriffen über die Hand des
Königs und wollte sie küssen — aber in dem Woment kam
mir ein Zweifel, ob der alte Feldherr das lieben würde, oder
daß es die schwere Sorge um Ihn, die mich drückte, verrathen
könnte — und ich unterließ es. Es reut mich noch heute!“
Aocch am 30. Mai schrieb König Albert an Minister von
Metzsch wegen der Dekorierung der Minister: „Ich würde
Sie bitten, die Decorationen am Schluße des Landtags den
Ministern in meinem Namen zu übergeben. Der Landtag
verläuft doch beßer und glatter als Anfangs zu fürchten
war. Hier ist voller Sommer, beinahe zu schön.“
Am 3. Juni kamen schlechte Nachrichten aus Sibyllenort,
die am A. und 5. etwas besser lauteten. In der Nacht zum
6. wurden wir alle telegraphisch gerufen. Wir fürchteten, den
König nicht mehr lebend zu finden. Als wir die Standarte
noch auf dem Turm wehen sahen, atmeten wir auf. Es ging
so leidlich. Meinen Vater trafen wir anwesend. Am 7.
steht in meinem Tagebuch: „Er ist sehr schwach. — Onkel
schlafend gesehen, sieht fast wie eine Leiche aus.“ Am 8.N:
„Schwächer als die Tage vorher. Abends bei ihm, sehr ver-
ändert und undeutlich redend.“ Am 9.: „Es geht leidlich.
Viel Unruhe.“ Am 10.: „Immer das Gleiche, schläft viel, das
ist unheimlich.“ Am 11.: „Immer das GEleiche.“ Die Nacht
zum 12. war sehr schlecht. Er war viel schwächer und weniger
teilnehmend. So ging es die Tage hin. Mein Bruder war
schon am 10. wieder abgereist. Ich blieb noch bis zum 15.,
mußte dann aber auch wegen des Dienstes abreisen. Der
Abschied war mir schrecklich, da ich das Gefühl hatte, den
geliebten und verehrten Onkel nicht wiederzusehen.
In einem lichten Augenblick brachte Oberhofmarschall Graf
Vizthum den König dazu, daß er meinem Vater die Ne-
König Albert. 22