Charakteristik der Königin Carola. 89
liche Opferthätigkeit. Ihre Pläne für das Wohl der Men-
schen sind so mannigfaltig, daß deren Ausführung fast über
ihre Kräfte geht. Gern würde sie sich begnügen, die Gemahlin
ihres Gemahls, die sorgende Frau in ihrem Hause, die
Freundin ihrer Freunde, die Wohlthäterin der leidenden Mensch-
heit zu sein. Das Geschick hat aber ihre Kreise weiter gezogen.“
Diesem sehr richtigen Urteil habe ich nur wenig hinzu-
zufügen. Carola hat sich anfangs nicht leicht, mein Vater
meinte, nie recht, in den großen Geschwisterkreis ihres Ge-
mals finden können. Sie war eben das einzige Kind ihrer
Eltern gewesen und wußte nicht, wie Geschwister miteinander
verkehren. Später, als ihre Schwägerinnen geheiratet hatten
bzw. gestorben waren, trat das mehr zurück. Sie verstand es,
sich die Liebe des Volkes, und dies in hervorragendem Maße,
zu erringen. Es war nicht ganz leicht, Vertrauen bei ihr zu
erlangen. Aber wenn man es einmal hatte, besonders es
langsam sich entwickelt hatte, war es nicht mehr zu zerstören.
Auf der anderen Seite konnte es leicht geschehen, daß sie
wenigstens eine Zeitlang, auf äußere, scheinbar herzliche
Außerungen hereinfiel. Ihre Neligiosität war eine tiefe. Man
kann wohl sagen, daß ihr Leben mehr von der Neligion durch-
drungen war als das ihres Gemahls. Manchmal aber zeigte
es sich dabei, daß der Unterricht vor dem Abertritt doch viel-
leicht nicht so gründlich gewesen ist, als man es wohl gewünscht
hätte.
Die erste Zeit nach der Hochzeit verlief ruhig. Das junge
Paar verlebte den ersten Sommer in meinem jetzigen Palais,
das damals viel kleiner war. Für jeden Sonntag kamen
sie nach Pillnitz. Sie besuchten bald Leipzig, Döbeln und
Chemnitz und wurden überall freudig begrüßt. Im Sep-
tember fanden große Manöver statt, bei denen sich Albert
durch geschickte Führung seiner Division auszeichnete. Am
24. Oktober besuchte er dann mit Carola seine alte Garnison-
stadt Bautzen. Im Anschluß daran wurde ein Aufenthalt in
Morawetz genommen.