8.2. Das Staatsrecht. 3
Die Willensmacht des Staats ist die Macht zu herr-
schen;? sie heisst Staatsgewalt.
Das Staatsrecht.
8. 2.
Das Staatsrecht als wissenschaftliche Lehre hat zum
Gegenstande die Entwickelung des dem Staate als
solchem zustehenden Rechts. Die Willensmacht
des Staats, die Staatsgewalt, ist das Recht des Staats.
Das Staatsrecht ist also die Lehre von der Staatsgewalt,
und beantwortet die Fragen: was kann der Staat als
solcher wollen? (Inhalt und Umfang der Staatsgewalt),
durch welche Organe und in welchen Formen kann und
in der Ausführung des Einzelnen hervortreten. — In dieser meiner
Auffassung bekenne ich mich zu einer theilweisen Aenderung der
von mir früher in meiner Schrift über öffentliche Rechte 1852 aus-
geführten Ansicht.
3 Das Wort und den Begriff „Herrschen‘ nehme ich als
einen specifisch dem Staatsrechte angehörenden in Anspruch. Er
bezeichnet den eigenthümlichen Willensinhalt der Staatspersön-
lichkeit. Nur noch für die Kirche kann eine ähnliche Auffassung
berechtigt erscheinen.
1 Dass ein Staat sei, dass in ihm das Volk diese bestimmte
Entwickelung gefunden habe, dass sein gesellschaftliches und wirth-
schaftliches Leben sich in ihm nach dieser bestimmten Richtung
entfalte, dass die Staatsgewalt diese besonderen Erfolge zur För-
derungdersittlichen, geistigen und ökonomischen Cultur erstrebe, —
sind Erscheinungen , deren Bedeutung weit über die Umfassungs-
linien des Rechtsgebiets hinausgeht. Das Recht begnügt sich damit,
einen Theil dieses grossen Culturstofls seiner Bestimmung zu unter-
werfen, der freilich intensiv höchst bedeutend ist, da er die äusseren
Lebensbedingungen des Staats enthält. Es ist das gleiche Ver-
hältniss, das auch sonst zwischen dem Rechte und den organischen
Verbindungen des sittlicben Lebens, wie z. B. der Familie, Ehe,
besteht, und wie überhaupt, so ist es auch hier von der grössten
Wichtigkeit, sich der Schranken der Funktion des Rechts bewusst
zu Sein.
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