Full text: Grundzüge des Deutschen Staatsrechts.

4 Einleitung. 
soll sich sein Wille äussern? In der Persönlichkeit des 
Staats liegt der Ausgangs- und Mittelpunkt des Staats- 
rechts; mit der Anknüpfung an sie ist zugleich die 
Möglichkeit und Richtung eines wissenschaftlichen, d. h. 
durch einen einheitlichen Gedanken beherrschten Systems 
gegeben. 
Ist hiernach das Staatsrecht die Lehre von der recht- 
lichen Bestimmung des staatlichen Lebensorganismus, 
so gehört dahin auch nur die Entwickelung derjenigen 
Rechtssätze und Rechtsinstitute, welche sich unmittelbar 
auf die Lebens- und Willenskraft des Staats beziehen. ? 
Der Umstand allein, dass eine rechtliche Ordnung von 
der Staatsgewalt ausgegangen und von ihr im öffent- 
lichen Interesse geschaffen worden ist, kann demnach 
noch kein Grund dafür sein, dass ihr Inhalt in das Bereich 
des Staatsrechts gezogen werde. Das Strafgesetzbuch, 
die verschiedenen Processordnungen, ferner die mannich- 
2 Das System des Privatrechts ist ein System von Willens- 
möglichkeiten, welche durchweg an die Willensmacht der indivi- 
duellen menschlichen (oder ihr nachgebildeten) Persönlichkeit 
angeknüpft sind. Auch das Staatsrecht ist ein System von Wil- 
lensmöglichkeiten, aber angeknüpft an die mit Persönlichkeit be- 
kleidete Macht des politisch geeinten Volks. Sein Ausgangspunkt 
ist mithin nicht wie die menschliche Persönlichkeit eine nach allen 
Richtungen freie Willensmacht, sondern eine solche, die sich nur 
innerhalb des Rahmens ihrer Zweckbestimmung bewegen kann. 
Ihr rechtlicher Wille ist das Herrschen, d.h. rechtliches Han- 
deln im Interesse des Staatszwecks mit einer das ganze Volk ver- 
pflichtenden Wirkung. Man kann also auch sagen: das Staats- 
recht ist die Lehre vom Staatswillen. — Die weitere Rechtfertigung 
und Begründung dieses Systems wird aus der Darstellung des 
Einzelnen hervorgehen. Angedeutet findet sich der Gedanke des- 
selben wohl auch schon früher, aber nirgends in seiner eigentlichen 
Bedeutung gewürdigt und durchgeführt.
	        
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