8.6. Entstehung staatsrechtlicher Rechtssätze etc. 17
werden,? oder so, dass nur die rechtliche Ordnung festge-
setzt wird, nach der sie für den Einzelnen entstehen sollen
oder dürfen.!! Noch andere werden durch specielle Ver-
leihung Seitensder Staatsgewalt (Privilegium) begründet.!1
Die Annahme einer Entstehung öffentlicher Rechte durch
Ersitzung würde dem Wesen des heutigen Staatsrechts
widersprechen;'? denn die Zulässigkeit, die Zahl und der
Inhalt öffentlicher Rechte steht im organischen Staate
unter der Herrschaft absoluter Normen, welche diese Form
9 Manche unserer Verfassungsurkunden nennen direkt ge-
wisse Familien, denen ein Recht der Theilnahme an der Stände-
versammlung zustehen soll.
10 Dahin gehört insbesondere die Wahlordnung, welche die
Art der rechtlichen Begründung des Rechts eines Abgeordneten
zur Ständeversammlung feststellt. Noch andere öffentliche Rechte
im subjektiven Sinne des Worts werden unmittelbar, obschon in ab-
strakter Allgemeinheit gegeben, wie z. B. das politische Wahlrecht.
11 Z. B. das Recht eines Mitglieds des Herrenhauses, die
rechtliche Stellung des Inhabers eines öffentlichen Amts. — Ver-
trag wird dabei im modernen Staatsrechte immer nur als ein vor-
bereitendes Element in Frage kommen können, sofern es sich
nicht etwa um die Bestimmung von Rechten handelt, welche der
freien Verfügung der Staatsgewalt nicht unterliegen, wie z. B. die
Rechte der Standesherren.
12 Eine Berufung auf unvordenkliche Zeit ist aber auch hier
zulässig, da sie ja nur die Vermuthung begründet, dass ein Zu-
stand rechtsgültig (hier: staatsrechtlich gültig) entstanden sei.
Ortloff, juristische Abhandlungen und Rechtsfälle, 2. Bd. 1857
8.112. — Aus den gleichen Gründen, aus denen die Ersitzung
öffentlicher Rechte im heutigen Staatsrechte keinen Raum findet,
kann auch von der erlöschenden Verjährung von Ansprüchen
öffentlichen Rechts jetzt nicht mehr die Rede sein. — Ganz anders
das ältere deutsche Staatsrecht, welches die Ersitzung öffentlicher
Rechte für zulässig erklärte, weil statt des Gedankens eines or-
ganischen Staats sowohl im Reiche als in den Territorien eine
Verbindung von Befugnissen wesentlich privatrechtlicher Art be-
stand. Vergl. die Citate bei Zachariä, deutsches Staats- und
Bundesrecht, $. 63. No. 6—8.
v. Gerber, Staatsrecht. III. Aufl. 92