Full text: Grundzüge des Deutschen Staatsrechts.

24 Erster Abschnitt. 
Seinen Ausdruck fand es bis zum Jahre 1866 in dem 
Deutschen Bunde. Dieser war aber nicht selbst eine 
Staatsgewalt, welche kraft eigener Hoheit regierte und 
den Einzelstaaten das Recht der staatlichen Selbstbe- 
stimmung nur jenseits des Umfangs des eigenen Macht- 
kreises offen liess, sondern nur ein dauernder völkerrecht- 
licher Verband, dessen Einfluss auf die Bundesglieder, 
soweit er nicht durch die Grundgesetze des Deutschen 
Bundes schon ein für allemal bestimmt war, jederzeit die 
freie Vereinbarung derselben voraussetzte; er trat mithin 
nicht als Act einer unmittelbar wirkenden regierenden 
Gewalt, sondern nur als die Folge einer vertragsmässigen 
Verpflichtung der im Bunde begriffenen Regierungen her- 
vor.? Der Deutsche Bund war m. a. W. kein Bundes- 
3 Hiermit ist der am meisten charakteristische Gegensatz 
zwischen Bundesstaat und Staatenbund gekennzeichnet. 
Jener ist eine zwar auf einen gewissen Kreis beschränkte, inner- 
halb desselben aber wirkliche Staatsgewalt mit unmittel- 
barer Beherrschung des Volks; dieser enthält nur eine Ver- 
bindung zum Zwecke der Ermöglichung einer fortgesetzten ver- 
tragsmässigen Einigung der verbundenen Regierungen, deren 
Resultat zunächst nur die Letzteren bindet, das Volk erst durch 
hinzutretende besondere Sanktion seiner eigenen Staatsgewalt. 
Die Kompetenz des Vertragsorgans des Staatenbundes wird sich 
der Natur der Sache nach vorzugsweise auf die Erhaltung der 
äusseren und inneren Sicherheit der Bundesstaaten beziehen, aber 
es ist nicht wesentlich, dass sie sich hierauf beschränke und nicht 
auch einzelne Gebiete des inneren Staatslebens berühre. Diess 
Letztere war beim Deutschen Bunde der Fall.— Der Bundesstaat 
hat also eine eigene wirkliche Staatsgewalt; aber diese entspricht 
nicht dem natürlichen Umfange eines Staatswesens, sondern be- 
schränkt sich auf die durch willkürlichen Gründungsact ihr von 
vorn herein eingeräumten Gränzen, und jenseits dieser Gränzen 
besteht wieder die selbständige Staatsgewalt der verbündeten 
Einzelstaaten. Die Staatsgewalt des Bundesstaats ist keine natür- 
liche, sondern eine willkürlich gesetzte. Ihr Verhältniss zu der
	        
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