8.9. Arten der Wirksamkeit der Staatsgewalt. 29
Staatswissenschaft betrachtet worden, auch diese ver-
schiedenen Arten der Staatsthätigkeit, deren Gemein-
sames zunächst nur in dem Gegensatze zur gesetz-
geberischen Funktion der Staatsgewalt besteht, zu
klassificiren. Die grosse Verschiedenheit der hierüber
aufgestellten Ansichten erklärt sich zum Theil daraus,
dass es mehrfache Interessen giebt, welche das Bedürf-.
niss einer solchen Eintheilung hervorrufen, und dass, je
nach der Besonderheit des Zwecks und Gesichtspunkts,
eine Verschiedenheit der Gruppirung möglich und be-
rechtigt ist.
Für das rein juristische Interesse nun genügt es,
die nicht gesetzgeberische Thätigkeit der Staatsgewalt
in zwei Klassen zu scheiden, nämlich in die richter-
liche und die verwaltende Thätigkeit. Denn die
Thätigkeit des Richtens, d. h. der Feststellung dessen,
was im einzelnen Falle Recht ist, schliesst sich sowohl
wegen der eigenthümlichen Grundsätze,? nach denen sie
erfolgt, als auch wegen der besonderen, die Organisation
3 Das Prinzip der absoluten Herrschaft der Gerechtigkeit bei
der Beurtheilung des Rechtsverkehrs macht es möglich, dass die
auf richterliche Entscheidung gerichtete Staatsthätigkeit von allen
übrigen hobeitlichen Funktionen abgesondert und als ein isolirtes
Gebiet hingestellt wird, in welchem eine von keinem sonstigen
öffentlichen Interesse beeinflusste Autorität lediglich nach Mass-
gabe der technischen Kunstregeln des juristischen Denkens waltet..
Darin liegt der Gegensatz gegen die verwaltende Thätigkeit, als
die unmittelbare Ausführung der hoheitlichen Beherrschung vom
Gesichtspunkte der Gesammtinteressen aus. Ein Handeln nach
Gesetzen ist übrigens selbstverständlich die verwaltende Thätig-
keit auch, und selbst die Handlungen der Verwaltung auf gesetz-
losen Gebieten entbehren nicht der rechtlichen Grundlage und
staatlichen Ermächtigung. Vgl. hierüber die Ausführungen
Laband’s, das Staatsr. des Deutschen Reichs, Bd. 2. S. 198 fig-