Full text: Badisches Verfassungsrecht.

12 I. Geschichte der Verfassung. 
führung des Stellvertretungsrechts für die Häupter der standes- 
herrlichen Familien, den Erzbischof und den Vertreter der evangelisch- 
protestantischen Landeskirche als erwünscht bezeichnet. Auch die 
zweite Kammer trat in der Sitzung vom 13. Mai 1865 der von der 
ersten Kammer hierwegen beschlossenen Adresse an den Großherzog in 
allen Punkten bei mit Ausnahme der Vertretung der größten Städte, 
die abgelehnt wurde, sowic des Stellvertretungsrechts, dessen Aus- 
Übung nach der Ansicht der zweiten Kammer nur einem Sekundär- 
berechtigten zustehen sollte, welcher nicht bloßer Gewalthaber ist, 
sondern kraft eigenen Rechts einzutreten hat, und der erblichen Land- 
standschaft, bezüglich deren der Regierung die weitere Erwägung 
anheimgegeben wurde. 
Die folgenden Jahre erwiesen sich jedoch einer Reorganisation 
der ersten Kammer wenig günstig. Am 22. Dezember 1873 wurde in 
der zweiten Kammer auf Antrag des Abgeordneten Dr. Bluntschli 
sogar eine Resolution angenommen, in der u. a. auch die Frage als 
ciner neuen Prüfung und Regelung bedürftig bezeichnet wurde, „ob 
auch jetzt noch das Zweikammersystem beizubehalten oder eher durch 
eine Versammlung zu ersetzen sei, in welcher die berechtigten Inter- 
essen, deren Wahrung bisher vorzugsweise der ersten Kammer vor- 
behalten war, Beachtung finden“, ein Beschluß, dem gegenüber sich 
die erste Kammer mit Entschiedenheit für die Beibchaltung des 
Zweikammersystems aussprach. 
IV. 
Durch die Gesetzgebung der Jahre 1869 und 1870 war zwar, wie 
oben erwähnt, für die Wahlen zur zweiten Kammer das allgemeinc 
Wahlrecht mit geheimer Abstimmung eingeführt, es bestand aber 
gegen die aus allgemeinen und geheimen Wahlen zu besorgenden 
Gefahren ein Gegengewicht in der Einrichtung der mittelbaren, in- 
direkten Wahl. 
Vereinzelt freilich war auch die Beseitigung der aus der ersten 
französischen Konstitution von 1791 stammenden indirekten Wahl schon 
früher verlangt worden. Insbesondere hatte Karl von Rotteck, 
obwohl nach seinem eigenen Zeugnis „eine in der Schule wie in der 
Gesetzgebung, wo nicht vorherrschende, doch weit verbreitete Ansicht, 
sich für das System der Wahlmänner, d h für eine mittelbare Wahl 
erklärt hatte“, schon im Jahr 1819 in den „Idcen über Landstände“ 
und 1830 in seinem „Lehrbuch des Vernunftrechts“ sich für dic direkten 
Wahlen ausgesprochen, allerdings nur in der Verbindung mit einer
	        
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