Full text: Badisches Verfassungsrecht.

16 I. Geschichte der Verfassung. 
beigetreten war, wurde über die Beschlüsse der zweiten Kammer vom 
22. Juni 1894 und 15. Juni 1896 eine Mitteilung im Sinne des 
# 67 Abs 5 der Verfassung nicht gemacht. Dagegen nahm sie bei 
der Beratung der von der zweiten Kammer am 11. März 1898 
beschlossenen Aenderung des § 41 der Wahlordnung über die Wahl- 
zeit Anlaß, auch zu der Frage der Neugestaltung des Wahlrechts 
Stellung zu nehmen und beschloß in der Sitzung vom 7. Mai 1898 
auf Antrag ihrer Kommission eine Resolution, in welcher sie sich 
gegen die einfache Ersetzung des jetzt bestehenden indirekten durch 
das direkte Wahlrecht aussprach, sich aber bereit erklärte, der Ein- 
führung des direkten Wahlrechts zuzustimmen, wenn Garantieen dafür 
geboten würden, daß auch künftighin die durch politische Einsicht und 
Tüchtigkcit hervorragenden Elemente des Staatslebens eine ent- 
sprechende Berücksichtigung finden, Garanticen, die in erster Reihe 
in der Ergänzung der zweiten Kammer durch von Organen der 
Selbstverwaltung gewählte Abgeordnete erblickt wurden. 
Die Regierung, welche schon im Jahr 1869 sich gegenüber dem 
Verlangen nach Einführung direkter Wahlen ablehnend verhalten hatte, 
machte der Motion Kern gegenüber im Jahr 1882 geltend, daß eine 
Verfassungsänderung lediglich und ausschließlich im Sinn der ge- 
stellten Motion für die Regierung unter allen Umständen unannehm- 
bar sein würde und daß, wenn eine Aenderung der Verfassung in 
dem Sinn der Einführung der direkten Wahlen beschlossen werden 
sollte, zugleich diejenigen anderweiten Garantieen zu geben wären, 
„welche es möglich machen, daß unsere Verfassung fortdauernd ein 
die wahre Freiheit schützendes und im besten Sinn des Wortes kon- 
servatives Werk verbleibe“. 
Die gleiche ablehnende Stellung gegen das Aufgeben des in- 
direkten Wahlrechts nahm die Regierung auf dem Landtag 1891/92 
cin. Seitens des Staatsministers Dr. Turban wurde bei diesem An- 
laß das indirekte Wahlrecht als ein Gegengewicht gegen die mit dem 
allgemeinen gleichen Wahlrecht verknüpften Gefahren bezeichnet, das 
die schwersten Mißstände des allgemeinen gleichen Wahlrechts solcher 
Massen, die nicht selbst imstande sind, die richtige Entscheidung zu 
treffen, beseitige, und gegenüber der in dem Kommissionsbericht ver- 
tretenen Auffassung mit Entschiedenheit betont, daß ein ausreichendes 
Gegengewicht gegen die Gefahren des allgemeinen direkten Wahlrechts 
nicht in einer Aenderung der Zusammensetzung oder Zuständigkeit 
der ersten Kammer, sondern nur in der Bildung der zweiten Kammer 
selbst erblickt werden könne. 
In ganz dem gleichen Gedankengang bewegte sich auch die schrift-
	        
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