212 Verfassungsurkunde. § 110.
Etatsberatung kontrolliert werden. An die Stelle des von der Ver-
fassungsurkunde mit der Prüfung betrauten Ausschusses ist mit
Rücksicht auf den Zusammenhang mit dem neuen Etat seit dem
Rechnungsjahr 1874/75 ausnahmslos die Finanzkommission der ein-
zelnen Kammern getreten.
Der ständischen Rechnungsprüfung, welcher die administrative
Prüfung durch die dem Finanzministerium unterstellte Ober-
rechnungskammer vorangeht, sind Grenzen nicht gesteckt und
beschränkende Vorschriften nicht gegeben, sie erstreckt sich auf alle
Einnahmen und Ausgaben einschließlich des zur Erzielung der Ein-
nahmen erforderlichen Elementaraufwandes, und auf alle für die
Ordnungsmäößigkeit der einzelnen Ausgaben und Einnahmen maß-
gebenden Gesichtspunkte. Die Beschlußfassung über die Anerkennung
des Nachweises und über die Erledigung der sich ergebenden An-
stände kommt jedoch nur den Kammern selbst zu.
Es leuchtet ein, daß die administrative Rechnungskontrolle
durch eine dem Finanzministerium unterstellte Behörde den Land-
ständen eine Gewähr für die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht
bieten kann, und daß den Ständen eine gründliche, der Wichtigkeit
entsprechende Prüfung des umfassenden Materials nicht möglich ist;
mit Grund wird daher mit zunehmender Dringlichkeit die Einrichtung
eines unmittelbar unter dem König stehenden, von den einzelnen
beteiligten Ministerien unabhängigen Rechnungshofes
nach dem Vorgange von Preußen und Baden gewünscht.
4. Die Prüfung des Ertrags des Kammerguts
erfolgt in Verbindung mit der Beratung des Hauptfinanzetats:
die Prüfung bezieht sich auf den Rohertrag, auf den Elementar-
aufwand für Besoldungen, Betriebsgegenstände und Betriebseinrich-
tungen, und auf den hiernach verbleibenden Reinertrag; dabei sind
die Stände befugt, sowohl eine Ermäßigung als eine Erhöhung der
Etatssätze und der sie bedingenden Grundlagen vorzunehmen. Als
Verwaltungsgrundsatz gilt, daß veränderliche Einnahmen und Aus-
gaben im allgemeinen nach dem Ergebnis des letztabgeschlossenen
Rechnungsjahrs eingestellt werden, es müßten denn in diesem Jahr
außergewöhnlich hohe oder niedrige Ergebnisse vorliegen, oder sonst
besondere Umstände bekannt sein, die eine Aenderung rechtfertigen.