378 Verfassungsurkunde. X. Kapitel.
mark im Jahre 1771 für sich und seine Nachfolger die Garantie
für diesen Verfassungsvertrag. Außerdem konnten gegen Verletzun-
gen der Verfassung die Reichsgerichte, namentlich der Reichshofrat,
um Hilfe angegangen werden. Diese beiden Garantien der Ver-
fassung kamen bei der Neuordnung der Verfassung nicht mehr in
Frage. Ein gewisser Ersatz für die ehemaligen Reichsgerichte
konnte in den Einrichtungen des deutschen Bundes, insbesondere in
dessen Austrägal-Gerichten gefunden werden, zumal da die Bundes-
akte in Art. 13 allen Bundesstaaten die Einführung einer land-
ständischen Verfassung vorgeschrieben und die Wiener Schlußakte in
Art. 56 verfügt hatte, daß die in anerkannter Wirksamkeit bestehen-
den landständischen Verfassungen nur auf verfassungsmäßigen Wege
wieder abgeändert werden können. Die Verfassungsurkunde hat
davon abgesehen, für die Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten
eine besondere Vorkehrung zu treffen, sie beschränkt sich auf den
gerichtlichen Schutz der Verfassung gegen faktische Verletzungen seitens
politisch einflußreicher Personen und setzt hiefür eine eigene mit be-
stimmten Strafbefugnissen ausgestattete, hälftig vom König und
hälftig von der Ständeversammlung zu ernennende ständige rich-
terliche Behörde, den Staatsgerichtshof, ein. In dem Kom-
missionsbericht von 1819 wird ausdrücklich hervorgehoben: „Der
Staatsgerichtshof mußte sich also in den Vorschlägen einzig auf
den gerichtlichen Schutz der Verfassung gegen faktische Verletzungen
beschränken, indem diese Behörde über Unternehmungen, die auf
den Umsturz der Verfassung gerichtet sind, und über Verletzung
einzelner verfassungsmäßiger Rechte des Volkes zu erkennen hat“,
und an diese Einrichtung die Hoffnung geknüpft: „die Verant-
wortlichkeit der Staatsdiener und Minister verwirklichen zu kön-
nen, ohne welche der Verfassung nach jetzigen Umständen die nötige
Garantie fehlen würde" 1). Wenn jetzt die Reichsverfassung in Art.
76 Abs. 2 „Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in
deren Verfassung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Strei-
tigkeiten bestimmt ist“, auf Anrufen eines Teiles dem Bundesrate
zur Erledigung überweist, so wird für Württemberg damit eine
1) Vgl. Fricker a. a. O. S. 199—204.