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(No. 284.) Allerhoͤchster Zuruf an die Einwohner des Preußischen Sachsen. Vom
22sten Mai 1815.
Durch das Patent, welches Ich heute vollzogen, habe Ich Euch, Einwoh-
ner Sachsens, mit Meinen Unterthanen, Euern Nachbarn und deutschen Lands-
leuten, vereinigt. Die gemeinsame Uebereinkunft der zum Congreß bieselbst
versammelten Mächte hat Eure, dem Loos des Krieges unterworfene Länder
Mir zur Entschädigung für den Verlust angewiesen, der den Mir garantirten
Umfang Meiner Staaten auf einer Seite vermindert, wo er Mir nach ein-
stimmigem Beschluß nicht ersetzt werden konnte.
Durch die Schicksale der Völker nunmehr von einem Fürstenhause ge-
trennt, dem Ihr Jahrhunderte lang mit treuer Ergebenheit angehangen,
geht Ihr jetzt zu einem andern über, dem Ihr durch die befreundenden
Bande der Nachbarschaft, der Sprache, der Sitten, der Religion verwandt
seyd.
Wenn Ihr Euch mit Schmerz von frühern, Euch werthen Verhält-
nissen lossagt, so ehre Ich diesen Schmerz, als dem Ennste des deutschen
Gemntbs geziemend, und als eine Bürgschaft, daß Ihr und Eure Kinder
auch Mir und Meinem Hause mit eben solcher Treue fernerhin angehören
werdet. Ihr werdet die Nothwendigkeit Eurer Trennung erwägen. Meine
alten Unterthanen haben große und theure Opfer gebracht; sie haben vor
der Welt und der Nachwelt den Anspruch erstritten, daß die Gefahren der
Tage von Groß-Beeren und von Dennewitz ihnen auf immer fern bleiben
mussen. Sie haben daß Zeugniß erworben, durch Tapferkeit und Treue
für ihren König auch Deutschland von der Schmach der Krechtschaft er-
rettet zu haben. Aber sollten sie die eigene Unabhängigkeit und die Frei-
heit Oeutschlands behaupten, sollten die Früchte des schweren Kampfs und
die blutigen Siege nicht verloren gehen, so gebot es eben so sehr die Pflicht
der Selbsterhaltung, als die Sorge für das deutsche Gemeinwohl, Eure
Laͤnder mit Meinen Staaten und Euch mit Meinen Unterthanen zu verei—
nigen. Nur Deutschland hat gewonnen, was Preußen erworben.
Dieses werdet Ihr mit Ernst erwaͤgen, und so vertraue Ich Eurem
deutschen und redlichen Sinn, daß Ihr Mir den Eid Eurer Treue eben so
aus der Fuͤlle des Herzens geloben werdet, als Ich zu Meinem Volk Euch
aufnehme.
Euern Gewerben eroͤffnen sich durch die Vereinigung mit Meinen
Staaten reichere Quellen. Die Wunden des Krieges werden heilen, wenn
die