(Nr. 9950.) Allerhöchster Erlaß vom 26. September 1897, betreffend die Uebertragung von Straf-
niederschlagungs= und Strafmilderungs-Befugnissen in Joll= und Steuersachen.
Au Anlaß des Inkrafttretens des Verwaltungsstrafgesetzes vom 26. Juli 1897
(Gesetz= Samml. S. 237) will Ich auf den Bericht des Staatsministeriums vom
23. d. M. in Aufrechterhaltung und theilweiser Ergänzung der in dieser Beziehung
bestehenden Bestimmungen anordnen, was folgt:
1. Bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze und die sonstigen Vorschriften
über indirekte Reichs= und Landesabgaben ist der Finanzminister ermächtigt, innerhalb
der verfassungsmäßigen Grenzen die nach den zoll= und steuergesetzlichen Bestimmungen
verwirkten Freiheits-, Geld= und sonstigen Strafen, einschließlich der Vertretungs-
verbindlichkeiten, Einziehungen und Werthersatzsummen, sowie die Kosten des Ver-
fahrens nicberzuschlagen, zu ermäßigen oder zu mildern, und zwar auch dann, wenn
die Strafen und die Kosten durch gerichtliches rechtskräftiges Erkenntniß auferlegt sind.
Der Finanzminister ist berechtigt, die ihm danach zustehende Niederschlagungs-
und Strafmilderungsbefugniß in den im Verwaltungswege zu erledigenden Straf-
sachen in bestimmt festzusetzenden Grenzen den ihm unterstellten Behörden und
Beamten weiter zu übertragen.
2. Der Finanzminister und die Provinzialsteuerbehörden sind befugt, nach
ihrem pflichtmäßigen Ermessen im Wege der Mochsich die verwaltungsseitige und
die gerichtliche Strafvollstreckung bei Zuwiderhandlungen der bezeichneten Art
auszusetzen, sowie Strafunterbrechung und Straftheilung zu gestatten. Diese
Befugniß erstreckt sich zugleich auf die Kosten des Verfahrens.
r Die betheiligten Justizjbehörden haben ihren desfallsigen Anträgen Folge
u leisten.
“ 3. Die Ermächtigungen in den Nummern 1 und 2 finden auch bei Zu-
widerhandlungen gegen die Vorschriften über die Schlacht= und die Wildpretsteuer
in schlachtsteuerpflichtigen Städten Anwendung, insoweit die Verwaltung dieser
Steuern nicht von den Gemeinden selbst übernommen ist. Das Gleiche gilt in
den Fällen der §§. 17 und 22 des Gesetzes zum Schutze der Waarenbezeichnungen
vom 12. Mai 1894 (Reichs-Gesetzbl. S. 441).
Dagegen kommen die Ermächtigungen nicht zur Anwendung bei Zuwider-
handlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung von Verkehrsabgaben und
bei Ordnungsstrafen gegen Beamte und Notare, welche sich bei ihrer Oienst-
verwaltung einer Uebertretung der Stempelvorschriften schuldig gemacht haben.
In den beiden letzteren Beziehungen verbleibt es vielmehr lediglich bei den bis-
herigen Bestimmungen.
Dieser Erlaß ist durch die Gesetz Sammlung bekannt zu machen.
Gegeben Rominten, den 26. September 1897. Z„
Wilhelm.
v. Miquel. Bosse. Frhr. v. Hammerstein. Schönstedt. Brefeld. v. Goßler.
Gr. v. Posadowsky.
An das Staatsministerium.
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