Metadata: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

6. Oktober Neuntes Kapitel 271 
fache Abgeschmacktheit, da das Haus kein Silberzeug enthielt, es 
müßte denn in einer vermauerten Ecke des Kellers versteckt ge— 
wesen sein, die auf ausdrücklichen Befehl des Chefs ungeöffnet blieb. 
Die Geschichte von der Pendule aber verlief in ganz andrer Weise, 
als Madame sie unter die Leute gebracht hat. Die Uhr war die mit 
dem kleinen bronzenen Dämon im Salon. Die Jessé bot dieses an 
sich ziemlich wertlose Möbel dem Kanzler in der Voraussetzung, 
es werde ihm als Zeuge und Zeitmesser bei wichtigen Verhandlungen 
von Wert sein, zu einem exorbitanten Preise an. Ich glaube, sie 
verlangte fünftausend Franken dafür. Sie erreichte aber ihre Ab- 
sicht, damit ein gutes Geschäft zu machen, nicht, da das Anerbieten 
der habgierigen und für die rücksichtsvolle Behandlung ihres Hauses 
durchaus nicht dankbaren Frau abgelehnt wurde. „Ich erinnere 
mich — so erzählte der Minister später in Berlin, — daß ich dabei 
die Bemerkung machte, das koboldartige Bildchen an der Uhr, das 
eine Grimasse schnitt, könnte ihr als Familienporträt ein liebes Besitz- 
tum sein, und eines solchen wollte ich sie nicht berauben.“ 
  
vom gemeinen Soldaten an bis hinauf zum Kaiser-Könige, der aus seiner Wohnung 
in Versailles die Leuchter mitnahm, kann man unzählige Geschichten mitteilen. 
Eine ziemlich merkwürdige, die wir aus glaubhafter Quelle haben, ist die nach- 
stehende. Herr von Bismarck bewohnte in Versailles ein Haus in der Rue de 
Provence. Als der Kanzler abreisen wollte, machte er der Frau J., der Eigen- 
tümerin seiner Wohnung, einen Besuch und drückte ihr den lebhaften Wunsch aus, 
die Pendeluhr, die sein Arbeitszimmer schmückte, mitnehmen zu dürfen. Frau J. 
schlägt es ihm rund ab, die Uhr sei ihr sehr wert und teuer, sie besitze sie 
schon seit langer Zeit und wünsche sie ihren Kindern zu hinterlassen. Herr 
von Bismarck besteht darauf. "Es würde mir sehr lieb sein — sagte er —, wenn 
ich diese Uhr mitnehmen könnte, die die Stunde zeigte, wo ich mit Herrn Thiers 
diesen für mein Land so ruhmvollen Frieden verhandelte und unterzeichnete." 
Frau I., die so zugleich in ihrem Besitz und ihrer Vaterlandsliebe bedroht ist, 
erteilt abermals eine abschlägige Antwort. Herr von Bismarck zieht sich nach 
wiederholten vergeblichen Bitten zurück. Bald darauf kommen zwei Beamte, die 
zu dem Gefolge des Kanzlers gehören, zu Frau J., machen ihr Vorwürfe dar- 
über, daß sie auf die Wünsche ihres Herrn und Meisters nicht eingegangen 
sei, und erklären ihr, daß sie unrecht gethan habe, ihn so zu reizen. Die Haus- 
besitzerin aber läßt sich dadurch nicht beirren. — Nun denn, die Uhr hat sie be- 
halten. Aber alle ihre Wäsche und ihr Silberzeug ist ihr von den Beamten im 
Gefolge des Kanzlers gestohlen worden.“ 
 
	        
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