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der ihm vorgelegten Entwürfe zustimmen zu können erklärte. Insbesondere soll
Fürst Bismarck gegen die Selbsteinschätzung gewesen sein, die er als einen völlig
unberechtigten, zur allgemeinen Unzufriedenheit Anlaß gebenden Eingriff in die
Privatverhältnisse bezeichnet haben soll. Finanzminister v. Scholz soll dagegen
die Ansicht vertreten haben, daß eine gerechtere Verteilung der direkten Steuern als
bisher ohne jenen Deklarationszwang nicht durchführbar sei.“ Schon damals hieß
es, die Stellung von Scholz sei erschüttert, er trage sich mit Rückzugsgedanken 1).
Anfangs September 1889 bezeichnete die „Nord. Allg. Ztg.“ die Nach-
richten, betreffend den Rücktritt des Finanzministers v. Scholz, als müßige Er-
findungen. Herr v. Scholz sei augenleidend und habe zur Wiederherstellung
seiner Gesundheit einen längeren Urlaub angetreten. Von einem Rücktritt des
Ministers sei in amtlichen Kreisen nichts bekannt.2)
1) Zu der Ernennung des Herrn v. Scholz zum Sekondlieutenant führte die „Nation"
im März 1889 unter anderem Folgendes aus: „Daß einer der höchsten Beamten Preußens,
ein unmittelbarer Ratgeber der Krone, auf seine alten Tage noch sich unter die eben aus
dem Kadettencorps entlassenen jüngsten Lieutenants mischen und überhaupt in irgend welche
lebendige Beziehung zur Armee treten könnte, das scheint uns nicht gut denkbar; so zeigt
sich denn hier mit einer Deutlichkeit, die den Charakter der Neuerung aufweist, daß die
Beförderung des Herrn v. Scholz zum Sekondlieutenant der Verleihung eines Titels sehr
nahekommt. Offizier sein war bisher etwas anderes als Kommerzienrat heißen; mag man
nun auch den beiden Prädikaten je nach Geschmack und Neigung ein sehr verschiedenes
Gewicht beilegen, in ihrem Grundcharakter haben sie sich genähert, und das ist ein Vorgang,
der im preußischen Militärstaat wohl bemerkt zu werden verdient. Worauf wir soeben hin-
gewiesen haben, das mag man als die inneren Folgen der Ernennung bezeichnen; die äußere
Absicht ist freilich, wie man annehmen muß, eine andere gewesen, und auch sie erfordert
Beachtung. Wenn ein Minister als Auszeichnung zum Sekondlieutenant ernannt wird,
so folgt daraus, daß selbst die höchste Stellung außerhalb der Armee noch durch die niedrigste
Offiziercharge in der Armee neuen Glanz erlangen kann. Das ganze bürgerliche Leben unseres
arbeitsamen Jahrhunderts erscheint demnach der Heeresinstitution untergeordnet; und das
Militär ist nicht mehr ausschließlich ein Instrument, dessen sich die bürgerliche Gesellschaft be-
dient, um in gesichertem Frieden zur höchsten Blüte sich entwickeln zu können, sondern der
Soldat repräsentirt vielmehr schon in eigener Person diese höchste Blüte des modernen Staates.“
2) Um diese Zeit wußte das „Berliner Tageblatt“ zu erzählen, „daß zunächst der
Steuerreform-Entwurf, welchen derselbe dem Staatsministerium vorlegte, vom Reichskanzler
mit etwa zwanzig Monitis bedacht wurde. Diese Monita wurden in eingehender Beratung
durch Abänderungen hinfällig gemacht. Doch erklärte Fürst Bismarck hierauf, er trage
gleichwohl Bedenken, vor den Neuwahlen zum Reichstage diesen Entwurf bekannt zu geben.
Herr v. Scholz widersprach dieser Ansicht in ziemlich pointirter Weise, und die Veranlassung
zu dem Frage= und Antwortspiel, das seit einigen Monaten die Gemüter beschäftigt, war
gegeben. Neuerdings hat man allerdings Versuche gemacht, Herrn v. Scholz zum Verharren
zu veranlassen, und mag dabei wohl von dem Gefühle geleitet worden sein, daß es schwer
sei, einen Nachfolger zu finden, der geneigt wäre, den bequemen Oberpräsidentenstuhl mit
der Last des Ministerpostens zu vertauschen, zumal die Erbschaft des Herrn v. Scholz wenig
Verlockendes hat. Immerhin braucht man aber während des sechsmonatlichen Augenleidens
des Herrn v. Scholz, das sich bis in den Februar k. J. hineinerstrecken dürfte, jenes Gesetz
nicht vor den preußischen Landtag zu bringen.“