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Begriff der Staatssuccession noch nicht zu operiren verstand, doch schim-
mert in dem fremdartig privatrechtlichen Gewande des Fideikommisses schon der
staatliche Gedanke klarer als zuvor hindurch, weshalb man wohl dafür den un-
passenden Ausdruck eines „staatsrechtlichen Fideikommisses“ gebraucht hat. Der
leitende Grundgedanke ist, dass alle Machtmittel des Staates möglichst zusammen-
gehalten und in der Hand des Erstgeborenen zum Besten des Hauses und Staates
vereinigt‘ werden sollen. Daher verzichtet der König auf sein hausgesetzliches
Recht über seine neuen Erwerbungen nach Gefallen zu verfügen und verleibt sie
vielmehr dem ihm gestifteten Fideikommiss ein: „ob Sie zwar nach den Ver-
fassungen und Grundgesetzen dieses Königlichen Kur und Fürstlichen Hauses an
solchen Ihnen neuerworbenen Landen und Gütern in faveur anderer disponiren
können, dieselbe dennoch solches nicht gethan, sondern vielmehr diese neuen Ac-
quisitiones mit einem ewigen Fideikommiss belegt.“ Die Ausdrücke Domänen oder
Chatoullgut kommen in der Disposition Friedrich I. von 1710 gar nicht vor; in
dieser Beziehung hat er keine Veränderung beabsichtigt. Dies ist erst durch
dies Edikt K. Friedrich Wilhelms von 1713 geschehen, in welchem
zwei Hauptvorschriften enthalten sind, indem es
einerseits bestimmt, „dass alle und jede oben erwähnte von Unseres Herrn
Vaters Majestät sowohl vor der angetretenen Regierung, als nachgehends wäh-
rend derselben ererbte, erkaufte, ertauschte oder auf andere Weise acquirirte
Fürstenthümer, Graf- und Herrschaften, auch einzelne Güter und Revenüen, wie
auch alle diejenigen, so Wir währender Unser Regierung durch Gottes Gnade
und Segen etwa auch erwerben und an Uns bringen werden, nie und zu keiner
Zeit, auch unter keinem Prätext, er habe Namen, wie er wolle, von Uns oder
Unsern Nachkommen künftigen Königen in Preussen, Markgrafen und Kurfürsten
zu Brandenburg vertauschet, verschenket oder auf andere Weise von Unserm
Königlichen Hause gänzlich ab und an andere gebracht werden sollen.“ Hierin
liegt zuerst eine Bestätigung des väterlichen Fideikommisses und zugleich eine
Ausdehnung auf die eigenen neuen Erwerbungen, sowohl gegenwärtige als zu-
künftige. Es haben durch diese Dispositionen von 1710 und 1713 zwei Könige
auf das ihnen hausgesetzlich zustehende Verfügungsrecht über ihre neuen Er-
werbungen verzichtet; ihren Nachfolgern konnten und wollten sie dasselbe nicht
entziehen;
andererseits verfügt, „dass für alle diese von Friedrich I. und Friedrich
Wilhelm I. ererbten und erworbenen Güter der unter denselben bevorabgemachte
Unterschied von Chatoull- und Domänen - oder Kammergütern in totum aufge-
hoben und diesen neuen Acquisitionen die Natur und Eigenschaft rechter Do-
manial-, Kammer- und Tafelgüter mit der denselben in den Rechten ankleben-
den Inalienabilität beigelegt werden soll.“ Darauf hin erfolgte die Einverleibung
aller dieser Güter und Revenüen in die Register des Domaniums. Die Unver-
äusserlichkeit ‘dieser Güter, welche durch das Fideikommiss nur hausgesetzlich
festgestellt worden war, erhielt dadurch eine weitergehende staatsrechtliche
Garantie, indem dieselben von nun an kraft der oben erwähnten Reverse nur mit
Zustimmung der Landstände veräussert werden konnten. Keineswegs hielt sich
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