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standene Inseln nach der Hoheit über die Gewässer, in denen
sie entstanden sind. Nach diesem Grundsatz regeln sich auch
die Rechtsverhältnisse der in Grenzflüssen entstandenen Inseln,
auf welche im einzelnen die Sätze des römischen Privatrechts
analoge Anwendung finden. Dass innerhalb des Küstenmeers
neu gebildete Inseln unter die Gebietshoheit des Uferstaats
fallen, ist bei Gelegenheit des sog. Anna-Falles Lezüglich der
vor den Mississippimündungen gelegenen Inseln durch den
englischen Admiralitätsgerichtshof ausdrücklich anerkannt
worden.“)
Dagegen sind in dem keiner Staatshoheit unterworfenen
freien Meer entstandene Inseln res nullius und können als
solche von Jedem okkupiert werden.2)
) Vergl. über diesen interessanten Fall Phillimore a. a. O. S. 283/84.
Travers Twiss I. § 131 u. Ortolan, a. a. O. S. 5859. Lord Stowell, der
sich im englischen High Court of Admiralty zu gunsten der Gebietsan-
sprüche der Vereinigten Staaten erklärte, berief sich zur juristischen
Begründung seiner Ansicht auch darauf, dass die fraglichen durch Fluss-
anschwemmungen gebildeten Inseln aus abgeschwemmten Bestandteilen
des Territoriums der Vereinigten Staaten bestünden und aus diesem
Grunde nach § 21 Inst. 2. 1 im Eigentum derselben verbleiben müssten.
Diese rein privatrechtliche Argumentation erscheint übrigens schon des-
wegen unrichtig, weil die angezogene Institutionenstelle sich nicht auf den
bier vorliegenden Fall allmählicher, unmerklicher Anspülungen, sondern
auf die avulsio, die gewaltsame Losreissung eincs als solches erkenntlich
bleibenden Stückes Land bezicht. In Wahrheit gründet sich die Gebiets-
hoheit der Ver. Staaten nur auf den im Text ausgesprochenen Grund-
satz, wonach neuentstandene Inseln unter die Gebietshoheit des Staates
fallen, in dessen Hoheitsgewässern sie sich gebildet haben. Die Not-
wendigkeit dieses Rechtsgrundsatzes vom politischen Standpunkte ist in
deu zitierten Ausführungen Lord Stowell'’s vortrefflich dargelegt. Vergl.
The Anna, 5 Robinson's Adm. Rep. p. 173.
2) Solche Inselbildungen im offenen Meer entstehen entweder durch
organische Thätigkeit, wie die Korallenriffe der Südsee, oder durch vul-