46 1885.
M XXX. Ministerial-Bekanntmachung
vom 31. August 1885,
betreffend das Verfahren bei der Zuziehung von Sachverständigen,
welche in einem andern Bundesstaate wohnhaft sind.
In §. 165 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist vorgeschrieben, daß im
Falle der Rechtshülfe unter Behörden verschiedener Bundesslaaten die durch die
Leistung der Rechtshülfe entstehenden Kosten von der ersuchenden Behörde der
ersuchten nicht erstattet werden. Zu den Kosten, auf welche diese Vorschrift An-
wendung findet, gehören auch die Gebühren, welche einem durch das ersuchte
Gericht vernommenen Sachverständigen zu gewähren sind.
Der Umstand, daß gewisse Kategorien von Sachverständigen nicht überall
gleichmäig vorhanden, vielmehr vorzugsweise an einzelnen bestimmien Orten, wie
z. B. in Universitätsstädten, wohnhaft sind, bringt es mit sich, daß an die, an
solchen Orten befindlichen Amtsgerichte eine außergewöhnlich große Zahl von
Ersuchen um Vernehmung von Sachversländigen gerichtet wird und daß demzufolge
den Kassen dieser Gerichte Kosten der Rechtshülfe in außergewöhnlichem Mahe zur
Last bleiben. Diese Mehrbelastung einzelner Gerichtokassen findet in dem zwischen
den Behörden der Bundesslaaten bestehenden Rechtohülfeverkehr nicht diejenige Aus-
gleichung, welche bei der Aufstellung der angeführten Vorschrift vorausgesetzt wurde,
und sie macht sich demzufolge in einigen Bundesstaaten als ein erheblicher Uebel-
stand fühlbar.
Es erscheint billig und angemessen, auf die Beseitigung dieses Uebelstandes
thunlichst Bedacht zu nehmen. Hierzu bieten die Bestimmungen des §. 82 der
Strasprozeßordnung und des §F. 376 der Civilprozeßordnung das geeignete Mittel,
da sie es dem Richter überlassen, von den Sachverständigen die schriftliche Er-
stattung des Gutachtens zu erfordern, und da, wenn letzteres geschieht, die mit
der Sache befaßte Behörde sich mit dem Sachverständigen unmittelbar in Ver-
bindung setzen kann, ohne die Mitwirkung des am Wohnort desselben befindlichen
Amtsgerichts in Anspruch nehmen zu müssen. Diese Inanspruchnahme erweis. sich
schon gegenwärtig in denjenigen zahlreichen Fällen als überflüssig, in denen wegen
des Umfanges des Gutachtens eine protokollarische Niederschreibung desselben un-
tbunlich und die schriftliche Ausarbeitung nothwendig ist.