Full text: Der Bundesrat als Rechtspflegeorgan des Reiches.

stimmungen kann nie als Verfassungsstreit nach Art. 7611 
der Erledigung durch den Bundesrat unterliegen. 
Endlich möchte ich noch der Frage Erwähnung tun, ob 
es möglich ist, daß durch ein rechtsgültig zustandegekomme- 
nes Gresetz die Thronrechte von Agnaten abgeändert werden 
können. M. E. müssen wir diese Möglichkeit bejahen. Denn 
Rechte von Agnaten, mögen sie nun Thronfolge- oder 
Regentschaftsrechte sein, dürfen der Landesgesetzgebung 
nicht hinderlich sein, können auch einem sie abändernden 
neuen Verfassungsgesetz nicht wirksam entgegenstehen *). 
s 21. 
Das zweite Mal. wo der Bundesrat als Rechtspflege- 
organ des Reiches in Tätigkeit tritt. ist, wie am Anfang 
unserer Abhandlung angegeben, ’der Fall des Art. 77. Dieser 
Artikel, der schon in der norddeutschen Bundesverfassung 
enthalten war, besagt: „\Venn in einem Bundesstaat der Fall 
einer Justizverweigerung , eintritt und auf gesetzlichen 
\Wegen ausreichende Hilfe nicht erlangt werden kann, so 
liest dem Bundesrat ob, erwiesene, nach der Verfassung und 
den bestehenden Gesetzen des betreffenden Bundesstaates zu 
beurteilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte 
Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hilfe 
bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß ge- 
geben hat, zu bewirken.“ 
Wie schon im alten Deutschen Reich zu einer Be- 
schwerde „de protacta et denegata justitia“ gegen die Land- 
gerichte das Reichskammergericht, dann zur Zeit der alten 
Bundesverfassung die Bundesversammlung!) kompetent 
3) ef. Schückinga.a. ©. S. 41; Hubrich, Preußisches 
Staatsrecht S. 184f. A. A. Arndt, Können Rechte der Agnaten 
auf die Thronfolzee nur durch Staatsgesetz geändert werden? 
Berlin 1900. 
1) ef. Art. 29 der Wiener Schlußakte.
	        
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