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XIX.
5. Über die Entlassung aus der Anstalt entscheidet gleichfalls die Oberschulbehörde. Die
Entlassung wird verfügt, wenn die geordnete Bildungszeit umlaufen oder wenn der
Zustand des Kindes ein solcher geworden ist, daß es nicht mehr der Erziehung und
Unterrichtung, sondern nur mehr der Pflege bedarf.
Die Anstaltsvorstände sind verpflichtet, vom Eintritt einer solchen Anderung
im Zustand eines Zöglinges der Oberschulbehörde Mitteilung zu machen. Dieselben
werden überdies jeweils am Ende eines Schuljahres über die ihnen zugewiesenen
Zöglinge durch Vermittelung der zuständigen Kreisschulvisitatur der Oberschulbehörde
Bericht erstatten und sich dabei besonders über den körperlichen und geistigen Zustand
der Zöglinge, über ihre Entwickelung in der Anstalt und die bisherigen wie die
mutmaßlichen Erfolge der Anstaltserziehung aussprechen.
6. Hinsichtlich der Aufwendungen für die Zöglinge und die Zahlung der Verpflegungs-
beiträge gelten die Vorschriften des § 10 des Gesetzes vom 11. August 1902 und
der §§ 32 und 33 der Vollzugsverordnung vom 9. Juni 1904. Soweit daher ein
öffentlich-rechtlicher Verband — Gemeinde oder Kreis — an der Aufbringung des
Aufwandes beteiligt ist, hat dieser den Verpflegungsbeitrag in einer Summe an die
Anstalt zu entrichten, und es bleibt ihm überlassen, die aus dem Vermögen des
Zöglings oder von dessen Ernährungspflichtigen sowie aus Staatsmitteln zu leistenden
Beiträge für sich zu erheben.
Auf Antrag der Anstalt ist jedoch die Oberschulbehörde anzuordnen befugt, daß
das nach § 12 des Gesetzes aus der Staatskasse zu zahlende Drittel des Beitrags
an die Anstalt unmittelbar geleistet wird.
7. Zur Deckung desjenigen Teils des Aufwandes für die Verpflegung epileptischer und
geistesschwacher Kinder, der für den Fall der Errichtung eigener Anstalten durch den
Staat von diesem nach den gesetzlichen Vorschriften für die Verpflegung blinder und
taubstummer Kinder vorweg zu übernehmen wäre, werden den einzelnen Anstalten
nach Maßgabe de- jeweils im Staatsvoranschlag zur Verfügung gestellten Mittel
entsprechende Zuschüsse bewilligt werden.
Die Anweisung dieser Zuschüsse wird jeweils im letzten Kalendervierteljahr auf Grund
der von der Oberschulbehörde nach Ziffer 4 und 5 verfügten Zuweisungen und Ent-
lassungen erfolgen; einer Antragstellung von seiten der einzelnen Anstalten bedarf es nicht.
8. Für diejenigen Zöglinge der in Ziffer 1 bezeichneten Art, welche bereits in einer der
drei genannten Anstalten zur Unterrichtung und Erziehung untergebracht sind, kann
auf Antrag der beteiligten öffentlichen Verbände im Einverständnis mit den Anstalten
die Beitragsleistung mit Rückwirkung vom 1. Januar 1906 an in einer den vorstehenden
Bestimmungen entsprechenden Weise geregelt werden.
9. Die Oberschulbehörde ist mit dem weiteren Vollzug dieser Anordnungen beauftragt.
Karlsruhe, den 18. Juni 1907.
Großherzogliches Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts.
von Dusch. Frey