Nr. XVI. 161
Gesetzes- und Verordnungs-Blatt
für das Großherzogtum Baden.
Ausgegeben zu Karlsruhe, Montag den 2. Mai 1910.
Jnhalt.
Verordnungen: des Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts: die allgemeine Be-
eidigung von Sachverständigen für gerichtliche Angelegenheiten betreffend; Entfernung vom Amte und Urlaub der Richter und
Notare betreffend.
Verordunng.
e (Vom 12. April 1910.)
Die allgemeine Beeidigung von Sachverständigen für gerichtliche Angelegenheiten betreffend.
l
1.
Den ordentlichen Gerichten wird die Befugnis übertragen, nach Bedürfnis geeignete
Sachverständige zur Beeidigung im allgemeinen (§ 110 Absatz 2 3PO., § 79 Absatz 2
St PO., § 15 FG.) auszuwählen.
Die Auswahl wird durch den Gerichtsvorstand von Amts wegen, auf Antrag der Staats-
amwaltschaft, im Auftrage der vorgesetzten Justizverwaltungsbehörde, oder auch auf Antrag
des Sachverständigen ausgeübt.
Für die Zwecke der Rechtspflege Sachverständige öffentlich zu bestellen (8 404 Absatz 2,
§ 107 Absatz 1 3PO., §5 73 Absatz 2, § 75 Absatz 1 StPpO., § 15 FGG.) und dann im
allgemeinen beeidigen zu lassen, bleibt dem Justizministerium vorbehalten.
82
Vor der Auswahl hat der Gerichtsvorstand die erforderlichen Erkundigungen über die
Sachkunde und Zuverlässigkeit des zu Beeidigenden einzuziehen und sich der Bereitwilligkeit
des Sachverständigen zu versichern. Besteht für die Angelegenheiten, auf die sich die Gut—
achten erstrecken sollen, eine staatlich geordnete Berufs- oder Interessenvertretung — wie
Handelskammer, Handwerkskammer, Landwirtschaftskammer — so sind diese zu hören. Inwie—
weit freie Vereinigungen der Interessenten zu hören oder um Vorschläge anzugehen sind, bleibt
dem Ermessen des Gerichtsvorstands überlassen.
8 3.
Staatsbeamte dürfen als Sachverständige nur nach eingeholter Zustimmung der vorge-
setzten Zentralbehörde im allgemeinen beeidigt werden. Die Zustimmung gilt als die zur
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