Full text: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden. Jahrgang 1910. (42)

XXVI. 301 
amt des Aufenthaltsortes des Kranken, beim Fehlen eines Wohnsitzes und Aufenthaltsortes 
im Großherzogtum das Bezirksamt des Anstaltsortes und im Falle der Übernahme eines 
Geisteskranken in das Großherzogtum das Bezirksamt zuständig, welches die übernahme vermittelt. 
87. 
(I.) In dringenden Fällen kann die sofortige fürsorgliche Unterbringung eines Geistes= Fürforg- 
krauken in einer Frrenanstalt ohne Antrag eines Antragsberechtigten und ohne bezirks- dichemmter. 
amtliche Statthafterklärung (§ 4) oder Anordnung (§ 5) erfolgen, wenn die Geisteskrankheit pringlichkeits- 
und die Notwendigkeit der sofortigen Aufnahme zum Zweck der Heilung des Kranken oder zur verfahren. 
Vermeidung von Gefahren für den Kranken selbst oder für andere Personen oder für das 
Eigentum oder für die öffentliche Sittlichkeit von dem für den Aufenthaltsort des Kranken zu- 
ständigen Bezirksarzt auf Grund unmittelbar vorhergegangener persönlicher Untersuchung des 
Kranken bestätigt werden. 
(2.) Das bezirksärztliche Zeugnis (Absatz 1) kann ersetzt werden durch das Zengnis eines 
Arztes der öffentlichen Irrenanstalt, in welche die Aufnahme erfolgen soll, bei Straf= und 
Untersuchungsgefangenen durch das Zeugnis des Gefängnisarztes und bei Militärpersonen 
durch das Zeugnis des zuständigen Militärarztes. 
(3.) Wenn die fürsorgliche Unterbringung in einer Privatirrenanstalt erfolgen soll, kann 
das bezirksärztliche Zeugnis ersetzt werden durch das Zeugnis eines Arztes der Privatirrenanstalt, 
sofern dieser Arzt vom Ministerium des Innern hierzu besonders ermächtigt ist. Jedoch ist 
in einem solchen Falle der Kranke binnen 24 Stunden nach der Aufnahme vom Bezirksarzt zu 
untersuchen und, falls dieser das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatz 1 nicht bestätigt, 
sofort zu entlassen. 
(4.) Von der Aufnahme hat der Anstaltsleiter dem Bezirksamt (8§ 6) binnen 24 Stunden 
Mitteilung zu machen. 
(5.) Wird nicht binnen drei Wochen nach der Aufnahme des Geisteskranken in der Frreu- 
anstalt der Antrag eines nach § 2 Antragsberechtigten und die Statthafterklärung oder eine 
bezirksamtliche Anordnung nach § 5 nachgebracht, so ist der fürsorglich Aufgenommene zu ent- 
lassen; falls aber nach dem pflichtmäßigen Ermessen des Anstaltsleiters eine der Voraussetzungen 
des § 5 vorliegt, ist noch vor Ablauf der Frist dem Bezirksamt (8 6) Anzeige zu erstatten und 
bis zur Erlassung der Entschließung des Bezirksamts, die binnen einer Frist von längstens 
drei Wochen erfolgen soll, der Kranke fürsorglich in der Anstalt zurückzuhalten. 
88. 
(1.) Zur Beobachtung ihres Geisteszustandes können neben den reichsgesetzlich geregelten umerbringung 
Fällen in öffentlichen Irrenanstalten ohne oder gegen ihren Willen untergebracht werden: zur Beobach- 
,«..- x ..- « «» tung des 
1. Zwangszöglinge und Persouen, bezüglich deren das Zwangserziehungsverfahren einge= deises- 
geleitet ist, auf Anordnung des Vormundschaftsgerichts; zustandes. 
2. Strafgefangene und Insassen des polizeilichen Arbeitshauses auf Anordunng der 
zuständigen Behörde; 
47.
	        
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