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§. 1.
Die Gerichte haben in Vergiftungs= und ähnlichen strafrechtlichen Fällen, in welchen eine
chemische Untersuchung, ferner in Strafsachen, in welchen eine mikroskopische Untersuchung
zur Erhebung des Thatbestandes nothwendig ist, in der Regel und wenn nicht besondere Ver-
hältnisse eine Ausnahme begründen, die erste chemische oder mikroskopische Untersuchung nicht
durch den Gerichtsarzt und einen Apotheker, sondern durch Vermittlung des betreffenden Me-
dicinal-Comités vornehmen zu lassen; zu diesem Behufe sind die der Untersuchung zu unter-
werfenden Gegenstände an das Gericht des Ortes zu übersenden, in welchem sich das für den
Bezirk zuständige Medicinal-Comité befindet.
§. 2.
Bei jedem Medicinal-Comité wird für die Vornahme der chemischen und der mitkro-
skopischen Untersuchungen in strafrechtlichen Fällen ein besonderer Sachverständiger und für
jeden derselben ein Stellvertreter aufgestellt.
§. 3.
Der Vorstand des Medicinal-Comités hat die Erledigung der an dasselbe gelangenden
gerichtlichen Requisitionen dem zuständigen besonderen Sachverständigen zu überweisen und
dessen Bearbeitung nebst den betreffenden Gegenständen an das Gericht zu befördern, damit
hierauf das ärztliche Gutachten nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches erholt werde.
S. 4.
Wird in solchen Fällen ein medieinisch-gerichtliches Obergutachten nothwendig, so ist
dasselbe in zweiter Instanz in der Regel gleichfalls von dem für den Bezirk zuständigen
Medicinal-Comité zu erholen.
Ist der Sachverständige, welcher in einer zum Obergutachten eingesendeten Strafsache
eine chemische oder mikroskopische Untersuchung vorgenommen hat, zugleich Mitglied oder Er-
gänzungs-Mitglied des Medieinal-Comités, so ist derselbe in der betreffenden Sache durch
ein anderes Mitglied zu ersetzen.
Hat der Vorstand des Medicinal-Comités in seiner Eigenschaft als besonderer Sachver-
ständiger die chemische oder mikroskopische Untersuchung vorgenommen, so hat er bei der Be-
rathung der Sache den Vorsitz an ein anderes Comité-Mitglied abzugeben.