Oer Helgoland- und Sansibarhandel. 51
worden, Großbritannien sah sich von einem bedeutenden Teile seiner
russischen Sorgen befreit und wußte, daß die deutsche Politik ebendes-
halb bis auf weiteres auf Zusammengehen mit der britischen — ja auf
ihr Kielwasser — in hohem Maße angewiesen war. Die britische Politik,
die sich möglicherweise vorher in gefährlicher Weise isoliert fühlte, brauchte
jetzt keine unvorteilhaften Kompromisse mehr mit Frankreich zu schließen
oder an solche zu denken. Sie hatte eine sehr vorteilhafte europäische
Basis durch Verbindung mit der größten festländischen Militärmacht ge-
wonnen, anderseits diese auf dem europäischen Festlande aus ihrer be-
herrschenden Stellung hinausgebracht, schließlich für einen lächerlich gering
erscheinenden Preis die vorher eingeengte Stellung des britischen Reiches
in Ostafrika frei gemacht und erweitert.
Zn Deutschland war die Mißbilligung des deutsch-englischen Ab-
kommens eine ganz allgemeine. Unter Führung der vom Fürsten Bis-
marck inspirierten „Hamburger Nachrichten“, außerdem der deutschen
Kolonialforscher und Kolonialpolitiker, wurde heftige Kritik geübt, deren
sachliche Argumente bereits Erwähnung gefunden haben. Was allen
diesen Kritiken fehlte, war eine auch nur annähernd richtige Einschätzung
des gegenwärtigen und zukünftigen Wertes der Insel Helgoland. Es ist
möglicherweise Absicht gewesen, daß man auf seiten der Regierung bzw.
der Marineverwaltung unterließ, mit der nötigen Eindringlichkeit Auf-
klärung zu schaffen. Nur vom damaligen Admiral Reinhold Werner liegt
eine wohlwollende Beurteilung Helgolands vor, die aber auch nicht weiter
in den Gegenstand eindrang, sondern an der Oberfläche blieb.
Die Frage ist heute müßig, ob man Helgoland damals billiger hätte
bekommen können. Oie Wahrscheinlichkeit läßt sich nicht abstreiten. Was
wir aber heute wissen, während damals kein Mensch daran dachte, vielleicht
außer dem Deutschen Kaiser, das ist die absolute, durch nichts ersetzbare
Notwendigkeit, daß wir Helgoland haben mußten, wenn Oeutschland
zur See etwas gelten sollte und wollte. Hier liegt der eigentliche Knoten,
in welchem die Frage sich schürzt und aus dem sie auch nur gelöst werden
kann. Eine starke deutsche Hochseemacht war aber ein Gedanke, der da-
mals wohl nur im Kopfe des Deutschen Kaisers und einiger weniger
Seeoffiziere bestand. Unter diesem Gesichtspunkte mußte sich die Frage
des Tausches, der Tauschwerte und ihre nachherige Beurteilung ganz
andere darstellen. Weiter ist zu beachten, daß möglicherweise keine Zeit
zu verlieren war, wollte man Helgoland haben. Wir brauchen heute nach
den Erfahrungen der letzten anderthalb Jahrzehnte nicht zu beweisen,
daß keine britische Regierung an eine Abtretung der Insel, für welchen
Preis auch immer, hätte denken können, sobald offenbar geworden war,
daß die Pläne des Deutschen Kaisers tatkräftig und konsequent auf eine
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