Object: Reichs-Gesetzblatt. 1904. (38)

Die Behörden haben in geeigneter Weise dahin zu wirken, daß zur Pflege 
und Behandlung von Pockenkranken nur Personen zugelassen werden, die die 
Pocken überstanden haben oder durch Impfung hinreichend geschützt sind oder sich 
sofort der Impfung oder Wiederimpfung unterwerfen. 
Als geeignet zur Absonderung sind nur solche Krankenhäuser oder Unter— 
kunftsräume anzusehen, in welchen die Absonderung des Kranken derart erfolgen 
kann, daß er mit anderen, als den zu seiner Pflege bestimmten Personen, dem 
Arzte oder dem Seelsorger nicht in Berührung kommt und eine Weiterverbreitung 
der Krankheit tunlichst ausgeschlossen ist. 
3. Zu § 15. Die zuständigen Behörden haben besonders zu erwägen, 
inwieweit Veranstaltungen, welche eine Ansammlung größerer Menschenmengen 
mit sich bringen (Messen, Märkte usw.), in oder bei solchen Ortschaften, in 
welchen die Pocken ausgebrochen sind) zu untersagen sind. 
In einem Hause, in welchem ein Pockenkranker sich befindet, können ge- 
werbliche Betriebe, durch welche eine Verbreitung des Ansteckungsstoffs zu be- 
fürchten ist, insbesondere Verkaufsstellen von Nahrungs= und Genußmitteln, 
Beschränkungen unterworfen oder geschlossen werden, insoweit nach dem Gutachten 
des beamteten Arztes die Fortsetzung des Betriebs als gefährlich zu betrachten ist. 
Die Polizeibehörden der von den Pocken ergriffenen Ortschaften haben 
dafür zu sorgen, daß Gegenstände, von denen nach dem Gutachten des beamteten 
Arztes anzunehmen ist, daß sie mit dem Ansteckungsstoffe der Pocken behaftet 
sind, vor wirksamer Desinfektion nicht in den Verkehr gelangen. 
Insbesondere ist für Ortschaften oder Bezirke, in denen die Pocken gehäuft 
auftreten, die Ausfuhr von gebrauchter Leibwäsche, alten und getragenen Kleidungs- 
stücken, gebrauchtem Bettzeug einschließlich Bettfedern, gebrauchten Roßhaaren, 
Hadern und Lumpen aller Art und alten Papierabfällen zu verbieten. Unter 
Umständen kann das Verbot auch auf andere Gegenstände, insoweit dies nach 
dem Gutachten des beamteten Arztes erforderlich ist, ausgedehnt werden. Reise- 
gepäck und Umzugsgut sind von dem Verbot auszunehmen. 
Bei gehäuftem Auftreten der Pocken ist in den von der Krankheit be- 
fallenen Ortschaften oder Bezirken das gewerbsmäßige Einsammeln von Lumpen 
im Umherziehen zu verbieten. 
Einfuhrverbote gegen inländische, von den Pocken befallene Ortschaften sind 
nicht zulässig. Das Verbot der Einfuhr bestimmter Waren und anderer Gegen- 
stände aus dem Auslande richtet sich ausschließlich nach den Vorschriften, welche 
gegebenenfalls gemäß § 25 des Gesetzes in Vollzug gesetzt werden. 
Für gebrauchtes Bettzeug, Leibwäsche und getragene Kleidungsstücke, welche 
aus einer von den Pocken betroffenen Ortschaft stammen und noch nicht wirksam 
desinfiziert worden sind, kann eine Desinfektion angeordnet werden. Im übrigen 
ist eine Desinfektion von Gegenständen des Güter= und Reiseverkehrs einschließlich 
der von Reisenden getragenen Wäsche= und Kleidungsstücke nur dann geboten 
und zulässig, wenn die Gegenstände nach dem Gutachten des beamteten Arztes 
als mit dem Ansteckungsstoffe der Pocken behaftet anzusehen sind.
	        
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