Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1894. (21)

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89. 
Deutsche Sprache. 
1. Der Unterricht im Deutschen hat sich nicht blos auf die eigens für dieses Fach 
angesetzten, sondern auf alle Lehrstunden zu erstrecken, insoferne die Schüler im Allgemeinen 
und insbesondere bei dem Uebersetzen aus den fremden Sprachen zur Vervollkommnung ihrer 
Sprechweise und zum sprachrichtigen Ausdruck anzuhalten sind. 
2. In den vier unteren Klassen wird im Auschlusse an einen Leitfaden, theilweise 
auch an das Lesebuch, ein grammatischer, die Schüler zum regelrechten und sicheren 
Gebrauche der Schriftsprache führender Unterricht in folgender Abstufung ertheilt: 
3. Erste Klasse: Unterscheidung der Redetheile, Uebung im Dekliniren und Konju- 
giren auf Grund der von den Schülern mitgebrachten Kenntnisse und ihres natürlichen 
Sprachgefühls. Die Präpositionen. Der einfache Satz mit seinen Erweiterungen. Mit 
dem grammatischen Unterrichte sind orthographische lebungen zu verbinden. 
4. Zweite Klasse: Die leichteren Formen des zusammengesetzten Satzes in Ver- 
bindung mit der Lehre von den Konjunktionen und der Interpunktion. Kasusrektion. Fort- 
setzung der orthographischen Uebungen. 
5. Dritte Klasse: Eingehende Behandlung des zusammengesetzten Satzes und der 
Nebensatzarten; Bildung einfacher Perioden besonders im Anschluß an die Lektion. Mit der 
Satzlehre ist die Lehre von den Konjunktionen und der Interpunktion entsprechend zu er- 
weitern und zu befestigen. Die fortgesetzten orthographischen Uebungen haben sich auch auf 
die gebräuchlichsten Fremdwörter zu erstrecken, wobei der Unterschied von Fremdwort und 
Lehnwort verdeutlicht werden soll. Gelegentlich werden sinnverwandte Wörter erläutert. 
6. Vierte Klasse: Eingehendere Behandlung der Laut= und der Formenlehre in 
ihren wichtigsten Theilen (Brechung, Umlaut, Ablaut; starke, schwache und gemischte Flexion). 
Das Wichtigste aus der Moduslehre. (Indirekte Rede). Wiederholung und Vertiefung 
der Satzlehre, Bildung zusammengesetzter Perioden, Grundzüge der Wortbildung. 
7. In den genannten vier Klassen und ebenso in den folgenden ist darauf Bedacht 
zu nehmen, daß die früher gewonnene Kenntniß des sprachrichtigen Ausdrucks lebendig er- 
halten, erweitert und vertieft werde. 
8. Die Lektüre von Musterstücken der deutschen Literatur bildet auf allen Stufen 
einen Haupttheil des deutschen Unterrichts und tritt in der fünften und sechsten Klasse noch 
mehr in den Vordergrund. Dieselbe ist mit dem übrigen Unterricht soviel als möglich in 
Verbindung zu setzen und so zu betreiben, daß die Schüler ein volles Verständniß des Ge- 
lesenen nach Inhalt und Form gewinnen, zum schönen und ausdrucksvollen Vortrag an- 
geleitet werden und das Gelesene theilweise zum Ausgangspunkte und Vorbilde für eigene 
Versuche stilistischer Darstellung machen.
	        
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