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— § 9. Die Hebammen sollen allen Frauen, welche ihrer Hilfe bedürfen, ohne Unterschied
des Standes und Vermögens bei Tag und bei Nacht ohne Aufschub Beistand leisten. Bei
mehrfachen gleichzeitigen Berufungen haben sie sich im Allgemeinen nach der Zeit derselben
zu richten, sonst aber sich zuerst dorthin zu wenden, wo ihre Oilfe am dringendsten erscheint.
Geeigneten Falls werden sie solche Personen, denen sie nicht sofort zu Diensten sein können,
an eine andere Hebamme verweisen. So lange eine Gebärende der Hebamme benöthigt ist,
darf diese sie unter keinem Vorwande verlassen.
Hat die Geburtsarbeit bei Ankunft der Hebamme noch nicht begonnen, so muß die
letztere, falls sie wieder fortgehen sollte, von Zeit zu Zeit nach der Gebärenden sehen.
Verhalen § 10. Gegen Schwangere und Gebärende sollen die Hebammen sorgfältig und freundlich
Schwangere sich zeigen, die Furchtsamen beruhigen, die Ungeduldigen bei langsam fortschreitender Geburt
Gellnende. durch freundlichen Zuspruch trösten. Sie dürfen nicht dulden, daß etwaige Krankheitszustände
aus Unkenntniß oder falscher Scham vernachlässigt werden, sondern müssen in jedem Falle
mit Ernst und Nachdruck auf der Berufung eines Arztes bestehen.
Gefährliche Zufälle sollen der Gebärenden möglichst verschwiegen bleiben, aber dem Manne oder
den Angehörigen ebenso wie Tod oder Mißstaltung des Kindes sogleich mitgetheilt werden.
gsruftv 8 11. Abgesehen von Ereignissen, welche amtlich der Behörde anzuzeigen sind, sollen
die Hebammen über Alles, was sie bei ihren Pfleglingen beobachten und was ihnen in
ihrem Berufe anvertraut wird, besonders auch über geheime Gebrechen ihrer Pflegebefohlenen
strenges Stillschweigen bewahren.
II.
Von dem Verhalten der Hebamme bei der Geburt.
Aufsicht § 12. Die Thätigkeit der Hebamme bei der Geburt bezweckt durch sachgemäße Auf
bei der
Geburt. sicht den Schutz von Mutter und Kind gegen Regelwidrigkeiten. Durch diese Aufsicht
bei der Geburt darf aber der Kreissenden kein Schaden zugefügt werden, z. B. darf die
Kreissende vor Allem dabei nicht angesteckt werden mit Keimen des Kindbettfiebers, die sich
wie überall, so auch an den Geschlechtstheilen der Kreissenden und besonders auch an den
Händen der Hebammen befinden.
Hilfeleistung 8 13. Zur Hilfeleistung bei einer Geburt soll jede Hebamme womöglich eine frisch
beider Geburt gewaschene Oberjacke mit nur bis zum Ellbogen reichenden oder bis dahin aufknöpfbaren
Aermeln und eine breite weiße Schürze anlegen und dann zur geburtshilflichen Untersuchung
in folgender, genau einzuhaltender Reihenfolge schreiten:
1. Herstellung einer 1 procentigen Lysol-Lösung in einer reinen Schüssel, indem sie mit
dem Irrigator 1 Liter möglichst warmen Wassers in dieselbe gießt und hiezu
10 Gramm Lysol fügt unter sorgfältigem Umrühren mit dem Mutterrohr.