Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1860. (26)

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In CI. II und I, welche füglich combinirt werden können, ist der Religionsunterricht in 
wöchentlich 2 Stunden zu ertheilen und hat sich in zwei Jahren auf: 
1)) Religionsgeschichte, 
2)) Lesung messianischer Stücke des alten Testaments, ausgewählter Pfsalmen, des 
Evangeliums Johannis und des Römerbriefs, 
3) auf Darstellung der Unterscheidungslehren 
zu erstrecken, doch so, daß in letzterer Beziehung nicht nur das, was trennt, sondern auch das, 
was als gemeinschaftlich alle christlichen Confessionen einigt, vor die Seele geführt wird. 
Die Vertheilung dieses Lehrstoffes auf die zwei Classenjahre bleibt dem Religionslehrer 
unter Genehmigung des Directors überlassen. 
64. Da kaum bei einem anderen Unterrichtsgegenstande so sehr, wie bei der Religion, Religions= 
die individuelle Neigung und Begabung des Lehrers für einen wirksamen und segensreichen lehrer- 
Unterricht in Frage kommt, überdieß auch kein Lehrgegenstand so wenig die blose Zertheilung 
in Jahrespensa und die Vertheilung derselben auf eine Mehrheit von Elassenlehrern verträgt, 
einer solchen Einrichtung endlich aber auch die vorherrschende Richtung der Lehrer an Real- 
schulen auf Fachstudien widerstrebt, so soll der Religionsunterricht an den Realschulen von 
jetzt an nur einigen, etwa zwei oder höchstens drei dazu besonders geeigneten, Lehrern aufge- 
tragen, für den Fall aber, daß sich auch dazu die geeigneten Männer im Lehrercollegium nicht 
finden sollten, auf Anstellung eines besonderen Religionslehrers, vornehmlich für die Ober- 
classen, Bedacht genommen werden. 
65. Die deutsche Muttersprache ist derjenige Gegenstand, auf welchen nach langer Muttersprache. 
ungerechtfertigter Versäumniß neuerdings in höheren und niederen Schulen verhältnißmäßig desennns. 
am Meisten Zeit verwendet worden ist, dessen fehlerhafte Betreibung aber die darauf ver- des. 
wendete Zeit am Wenigsten gelohnt und die erwarteten Früchte keineswegs getragen hat. 
Man hat den Unterricht in ihr mit einer ganz speciellen formalen Grammatik begonnen, gleich- 
sam als sollte und müßte der Schüler, welcher schon bei seinem Eintritte in die Schule einen 
ganzen Schatz von wenn auch unbewußter Sprachübung und Sprachwissen mitbringt, auf 
diese Weise die ersten geistigen Laute und Bewegungsformen in seiner Muttersprache erlernen 
und hat sodann diesen ausgedehnten grammatikalischen Unterricht auf allen Lehrstufen und in 
allen Classen mit einer ermüdenden Weitläufigkeit und Zerreißung der Sprachgebilde neben 
einer ganz unverhältnißmäßigen Vernachlässigung des productiven Schaffens in der Mutter- 
sprache fortgesetzt. Man wird sich aber kaum länger der Erkenntniß verschließen dürfen, daß 
eine so ausgedehnte Betreibung der deutschen Grammatik für einen richtigen und gewandten 
Gebrauch der Muttersprache völlig werthlos und überflüssig, wenn aber, wie häufig, darüber 
das Schreiben und productive Sprachbilden versäumt wird, demselben sogar hinderlich sei, 
daß ferner die Grammatik der Muttersprache um deswillen sich weniger eignet, im Allgemeinen
	        
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