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812. Ist bei der Auslegung eines Vertrages auf die Absicht der Betheiligten zurück-
zugehen, so ist die Auslegung anzunehmen, welche den übrigen Vertragsbestimmungen, den
vorausgegangenen Verhandlungen oder den früheren Verträgen unter den nämlichen Personen
am meisten entspricht.
13. Wenn bei Auslegung dunkler Vertragsbestimmungen durch Anwendung vor-
stehender Vorschriften zu einem Ergebnisse nicht zu gelangen ist, so ist den Worten des Ver-
trages die Bedeutung beizulegen, bei welcher der Vertrag bestehen und einen Erfolg haben kann
und sofern diese Vorschrift nicht entscheidet, die dunkle Vertragsbestimmung zum Nachtheile
Desjenigen auszulegen, welcher daraus ein Recht auf eine ihm vortheilhaftere oder größere
Leistung ableitet.
6. Arten der Willenserklärung.
1d. Die beiderseitigen Willenserklärungen bei einem Vertrage können gleichzeitig er-
folgen; es kann aber auch die Erklärung des einen oder anderen Theiles vorausgehen. Das
Versprechen kann der Annahme in der Form des Anerbietens und die Annahme dem Ver-
sprechen in der Form des Ersuchens, Verlangens oder einer Anfrage vorausgehen.
*815. Willenserklärungen an einen Abwesenden sind für geschehen zu betrachten, wenn
sie an den Abwesenden gelangt sind. Sie sind unwirksam, wenn sie bis dahin widerrufen
werden.
#16. Anerbietungen zu einem Vertrage können zu jeder Zeit widerrufen werden, so
lange nicht deren Annahme von der anderen Seite erklärt worden ist. Hat Derjenige, welcher
das Anerbieten gemacht hat, dem Anderen eine Bedenkzeit gegeben, so kann er vor deren Ab-
lauf sein Anerbieten nicht widerrufen; mit Ablauf der Bedenkzeit gilt das Anerbieten als
widerrufen, wenn es bis dahin nicht angenommen worden ist.
17. Das Anerbieten verliert seine Kraft, wenn Derjenige, welchem es gemacht wird,
die Erklärung der Annahme verzögert. Ob eine Verzögerung bei Abgabe dieser Erklärung
eingetreten sei, ist nach den Umständen und der Sitte des Verkehres zu entscheiden.
818. Ein Anerbieten erlöscht weder durch den Tod Desjenigen, welcher dasselbe ge-
macht hat, noch durch den Tod Desjenigen, welchem es gemacht worden ist, ausgenommen
wenn dasselbe auf mit dem Tode weggefallenen persönlichen Beziehungen beruht.
6819. Bei Versteigerungen an den Meistbietenden oder Wenigstnehmenden ist, wenn
die Versteigerungsbedingungen nicht etwas Anderes bestimmen, sobald ein Gebot gethan wird,
der Vertrag mit dem Bietenden unter der Bedingung geschlossen, daß innerhalb der voraus-
bestimmten Zeit oder bis zum Zuschlage kein besseres Gebot geschieht. Erfolgt zeitig ein besseres
Gebot, so löst sich der Vertrag mit dem früheren Bieter auf und der Versteigernde ist nicht
berechtigt, das bessere Gebot zurückzuweisen und den früheren Bieter an sein Gebot zu halten.
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