Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1863. (29)

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2601. Ist der übergangene Pflichttheilsberechtigte erst nach Errichtung des letzten 
Willens oder des Erbvertrages geboren, oder durch Ehelichsprechung, Annahme an Kindesstatt 
oder Ehe pflichttheilsberechtigt geworden, oder war dem Erblasser die Pflichttheilsberechtigung 
zur Zeit der Errichtung des letzten Willens oder des Erbvertrages unbekannt, so bleibt dem 
Uebergangenen, der Verfügung ungeachtet, sein volles gesetzliches Erbrecht. 
2602. Ein Ehegatte kann den von seinem Ehegatten vor Eingehung der Ehe ge- 
schlossenen Erbvertrag wegen Verletzung des Pflichttheiles nicht anfechten. 
* 2603. Hat der Erblasser sein Vermögen durch Schenkungen unter Lebenden in der 
Weise vermindert, daß Dasjenige, was davon bei seinem Tode dem Pflichttheilsberechtigten 
zufällt, weniger beträgt, als er als Pflichttheil erhalten hätte, wenn dieser unter Berücksichtigung 
des unmittelbar vor der Schenkung vorhanden gewesenen Vermögens berechnet wird, und ist 
die durch die Schenkung herbeigeführte Verletzung des Pflichttheiles nicht durch spätere letzt- 
willige Verfügungen des Erblassers ausgeglichen, so kann der Pflichttheilsberechtigte die 
Schenkung, gleichviel ob sie in der Absicht, den Pflichttheil zu verletzen, vorgenommen worden 
ist oder nicht, soweit anfechten, als sein Pflichttheil dadurch verletzt worden ist. 
2604. Hat der Erblasser von seinem Vermögen so viel verschenkt, daß, falls er un- 
mittelbar nach der Schenkung gestorben wäre, der Berechtigte in seinem Pflichttheile verletzt 
gewesen sein würde, später aber so viel erworben, daß bei seinem Tode dem Berechtigten 
wenigstens der Betrag als Pflichttheil zufällt, welchen er erhalten haben würde, wenn neben 
dem Neuerworbenen auch das Verschenkte zum Nachlasse gehört hätte, so kann die Schenkung 
nicht angefochten werden. 
& 2605. Durch eine zufällige Minderung des Vermögens des Erblassers nach der Zeit 
der Schenkung wird eine Verletzung im Pflichttheile weder herbeigeführt, falls eine solche nicht 
schon durch die Schenkung bewirkt worden ist, noch vergrößert, falls die letztere zur Verletzung 
des Pflichttheiles gereicht hat. 
§ 2606. Der Pflichttheilsberechtigte ist zur Anfechtung einer pflichtwidrigen Schenkung 
berechtigt, ohne Unterschied, ob sein Recht auf den Pflichttheil zur Zeit der Schenkung bestand 
oder später entstanden ist. Der Ehegatte kann aber Schenkungen, welche sein Ehegatte vor 
der Ehe gemacht hat, wegen Verletzung seines Pflichttheiles nicht anfechten. 
& 2607. Der Pflichttheilsberechtigte hat wegen pflichtwidriger Schenkung ein Recht 
auf Herausgabe der verschenkten Gegenstände, soweit dadurch sein Pflichttheil verletzt worden 
ist, blos gegen den Beschenkten und dessen Erben. Es gelten dafür die Bestimmungen über 
den Widerruf der Schenkungen im § 1062. 
*2608. Die Ausschlagung der Erbschaft des Schenkers gilt, ausgenemmen wenn sie 
unter Verhältnissen geschehen ist, welche auf die Absicht eines Verzichtes schließen lassen, nicht
	        
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