Zweiter Theil.
Das Sachenrecht.
Erste Abtheilung.
Von dem Fesitze der Hachen.
& 186. Wer eine Sache thatsächlich in seiner Macht hat, ist Inhaber, und wenn er den
Willen hat, an der Sache für sich Eigenthum auszuüben, Besitzer derselben.
8 187. Rechtmäßiger Besitzer ist Derjenige, welcher den Besitz in Folge eines Rechts-
grundes ausübt, durch welchen-Eigenthum erworben werden kann.
188. Redlicher Besitzer einer Sache ist Derjenige, welcher glaubt, Eigenthümer der—
selben zu sein. Redlichkeit des Besitzes wird vermuthet.
189.,. Bei Beurtheilung der Redlichkeit eines Besitzes, welchen ein gesetzlicher Vertreter
ausübt, kommt es auf den Glauben des Letzteren und, wenn mehrere Vertreter vorhanden sind,
auf den Glauben der Mehrzahl an. Wenn jedoch der Vertretene willensfähig ist, so treffen
ihn die Nachtheile der eigenen Unredlichkeit, obgleich der Vertreter sich in redlichem Glauben
befindet.
190. Fehlerhaft ist der Besitz Desjenigen, welcher die Sache durch Gewalt oder
heimlich an sich gebracht hat, oder die bis auf beliebigen Widerruf empfangene Sache nach
geschehenem Widerrufe nicht zurückgiebt.
*191. Nur an einzelnen Sachen findet Besitz statt. Wer einzelne von ihm besessene
Sachen zu einem Ganzen verbindet, setzt den Besitz derselben in dem Ganzen fort. Wird die
Verbindung einzelner Sachen zu einem Ganzen aufgehoben, so wird der Besitz an den einzelnen
Sachen fortgesetzt.
*192. Eine Sache kann zu gleicher Zeit von Mehreren nicht ungetheilt, wohl aber
nach ideellen Theilen besessen werden.
& 193. Zur Erwerbung des Besitzes gehört Willensfähigkeit. Juristische Personen, des
Vernunftgebrauchs Beraubte und Personen, die im Kindesalter stehen, erwerben den Besitz
durch Vertreter.
194. Der Besitz wird erworben, wenn Jemand durch eine einseitige Handlung oder
durch Uebergabe in ein solches Verhältniß zu der Sache tritt, daß er beliebig auf dieselbe ein-
wirken kann, und wenn der Wille, Eigenthum an ihr auszuüben, hinzukommt.
1863. 15