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Das Oberappellationsgericht hat, nach Gehör des Generalstaatsanwalts, zu prüfen,
ob ein Nichtigkeitsgrund zu Gunsten des Verurtheilten vorliegt und, dafern sich hierbei
ein solcher Grund ergiebt, so zu entscheiden, als ob hierauf von dem Angeklagten selbst
eine Nichtigkeitsbeschwerde gegründet worden wäre. Es kann jedoch auch in diesem
Falle deshalb, weil die Untersuchung und Aburtheilung durch ein anderes Bezirksgericht,
beziehendlich Geschwornengericht, als das zuständige, erfolgt ist, das Erkenntniß nicht
aufgehoben werden.
Ist von dem Verurtheilten selbst oder zu seinem Gunsten von der Staatsanwalt-
schaft eine Nichtigkeitsbeschwerde eingewendet worden, so hat das Oberappellationsgericht
neben der Prüfung der hierbei aufgestellten Beschwerdepunkte auch noch der vorstehend
angeordneten Prüfung sich zu unterziehen und demgemäß das Nöthige zu erkennen.
6. Ein Todesurtheil ist nicht eher zu vollstrecken, als bis dem Untersuchungs-
richter amtlich eröffnet worden ist, daß der König von seinem Begnadigungsrechte keinen
Gebrauch gemacht habe.
V.
Die mildernden Umstände rc. betreffend.
& 28. Die Entscheidung darüber:
1. ob, wenn eine geringere Strafe zur Anwendung kommt, dafern das Vorhanden-
sein mildernder Umstände festgestellt ist, solche Umstände vorhanden seien,
2. ob, wenn eine geringere Strafe zur Anwendung kommt, dafern ein minder
schwerer Fall vorliegt (§§ 94, 96 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich),
diese Voraussetzung vorhanden sei,
3. ob, wenn das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungshaft gestattet,
die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen sei
(§ 20 des Strafgesetzbuchs), und
4. ob, wenn der Angeklagte zur Zeit der That das achtzehnte Altersjahr noch nicht
vollendet hatte, oder taubstumm ist (§8 56, 57, 58 des Strafgesetzbuchs), er
bei Begehung der That die zu Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Ein-
sicht besessen habe?
erfolgt in den bei den Geschwornengerichten anhängigen Strafsachen durch den Wahr-
spruch der Geschwornen, in den bei den Bezirksgerichten anhängigen Strafsachen, wenn
bei der Aburtheilung Schöffen mitwirken, durch gemeinschaftliche Beschlußfassung der
Richter und Schöffen (§ 28 des Gesetzes, die Wahl von Gerichtsschöffen rc. betreffend,
vom 1. October 1868).
629. In den bei den Geschwornengerichten anhängigen Strafsachen hat der
Gerichtshof in den Fällen des vorigen Paragraphen unter 4, bei Strafe der Nichtig-
1873. 54