Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1878. (44)

Zu a. Die hauptsächlichsten Merkmale einer eigenen Haushaltung im Sinne 
des Gesetzes sind eine selbstständige Existenz, d. h. ein selbstständiges, durch 
eigene Erwerbsthätigkeit oder aus eigenem Vermögen unterhaltenes Leben, dessen 
Begriff durch den Hinzutritt von Unterstützungen Seiten dritter Personen nicht aus— 
geschlossen wird, und die Haltung einer besonderen Wohnung, gleichviel ob in 
eigenen, ermietheten oder unentgeltlich oder gegen die Verpflichtung zu gewissen Dienst- 
leistungen überlassenen Räumen. Wenn indessen Jemand, der an sich eine selbstständige 
Existenz hat, dem Haushalte eines Anderen, ohne hierzu durch Berufs= oder Familien- 
beziehungen zu demselben genöthigt zu sein, freiwillig sich anschließt, so wird für ihn 
der Begriff der eigenen Haushaltung ungeachtet des Mangels einer besonderen Wohn- 
ung nicht aufgehoben. Andererseits ist, wenn zur Haltung einer besonderen Wohnung 
die Begründung eines eigenen Herdes oder eines Familienstandes hinzutritt, eine 
eigene Haushaltung selbst dann vorhanden, wenn die Mittel zur Bestreitung derselben 
in der Hauptsache oder sogar ausschließlich durch Unterstützungen von dritten Personen 
und nicht durch eigene Erwerbsthätigkeit oder aus eigenem Vermögen gewonnen 
werden. Dagegen vermag in anderen Fällen die Haltung einer besonderen Wohnung 
allein und ohne das Vorhandensein einer selbstständigen Existenz den Begriff der 
eigenen Haushaltung nicht zu begründen und ist die letztere daher z. B. bei Schülern, 
Studenten und in der Vorbildung für einen Beruf begriffenen Personen nicht vor- 
handen, welche zwar eine besondere Wohnung inne haben, ihren Unterhalt aber nicht 
aus eigenem Erwerbe oder eigenem Vermögen bestreiten, sondern die Mittel dazu vom 
Vater oder von Verwandten oder von anderer Seite gewährt erhalten. 
Zu b. Bei Personen, deren Einkommen höher ist als die Summe ihres Verbrauchs 
oder dieser Summe gleichkommt, ist lediglich das wirkliche Einkommen für die Ein- 
schätzung maßgebend. Die Anwendung der Bestimmung in § 15 unter 6 des Gesetzes 
ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in welchen das wirkliche Einkommen hinter dem 
Verbrauche zurückbleibt. Hieraus folgt jedoch keineswegs, daß die Commission in 
allen solchen Fällen die Summe des muthmaßlichen Verbrauchs der Einschätzung 
zu Grunde legen muß. Die Commission hat vielmehr dann, wenn ihr die obwaltenden 
Verhältnisse die Anwendung der fraglichen Bestimmung an sich gerechtfertigt erscheinen 
lassen, sorgfältig zu erwägen, ob zwischen dem deelarirten oder sonst ermittelten Ein- 
kommen und dem muthmaßlichen jährlichen Verbrauche ein wesentliches Mißverhältniß 
bestht, und hat nur in diesem Falle die Einschätzung nach dem Verbrauche zu 
ewirken. 
1878. 77
	        
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