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§ 26.
Zu § 18 Ziffer 9.
Gu) Der Kirchenvorstand vertritt:
a) das Kirchenlehn in allen Angelegenheiten, bestellt für selbiges in Rechts-
angelegenheiten den Aktor und vollzieht die Schuldverschreibung, wenn für die Kirche ein
Kapital aufgenommen wird. Um einen Prozeß zu beginnen, in welchem nicht bloß eine
liquide Schuldforderung eingeklagt werden soll, ist die Genehmigung der Kircheninspektion
ebenso, wie zu der Abschließung eines Vergleichs hierüber, einzuholen.
(2) Zur Verwendung von Kapitalien aus dem Stammvermögen der Kirche bedarf
es der Genehmigung der Konsistorialbehörde, zur Veräußerung von Grundstücken und nutz-
baren Rechten derselben, gleichwie zur Aufnahme von Kapitalien auf den Kredit der Kirche
der Genehmigung des Evangelisch-lutherischen Landeskonsistoriums.
(3) Kollidieren die Interessen der Kirche mit denen der Kirch= oder politischen Ge-
meinde, der Mitglieder des Kirchenvorstands oder des Kirchenpatrons, so hat die Kon-
sistorialbehörde solche wahrzunehmen und für Vertretung derselben Sorge zu tragen. Auch
geht in Städten, wo der Stadtrat Inspektionsmitglied ist, bei Kollisionen mit den Inter-
essen der politischen Gemeinde, das Befugnis der Kircheninspektion, Zzu genehmigen, zu
autorisieren oder zu entscheiden, ohne weiteres auf die Konsistorialbehörde über.
(4) Die Vertretung der geistlichen Lehne steht zwar nicht dem Kirchenvorstande,
sondern der Kircheninspektion zu, der Kirchenvorstand hat aber über die Erhaltung, sowie
pflegliche Benutzung derselben die nächste Aufsicht zu führen und ist bei jeder Veränderung
oder Verminderung der Substanz mit seinem Gutachten zu hören.
(5) Hierüber bewendet es bei den Bestimmungen in § 10 unter 4 der Beilage sab ÖO
zu dem Gesetze vom 1 1. August 1855, die künftige Einrichtung der Behörden erster In-
stanz für Rechtspflege und Verwaltung betreffend (G.= u. V.-Bl. vom Jahre 1855 S. 150),
soweit nicht ausdrücklich durch gegenwärtige Kirchenvorstands= und Synodalordnung etwas
anderes bestimmt ist.
(6) Der Kirchenvorstand vertritt ferner:
b) die Kirchgemeinde nicht nur in Rücksicht ihrer kirchlichen Interessen, sondern
auch in Rechtsangelegenheiten und Rechtsstreitigkeiten gegen jeden Dritten, sowie gegen
Einzelne in ihrer Mitte.
(7) Die durch das Gesetz vom 30. März 1844 (G.= u. V.-Bl. vom Jahre 1844
S. 140 flg.) geordnete Vertretung der Kirchgemeinden in Rechtsstreitigkeiten geht daher
auf den Kirchenvorstand über. Inwieweit hierbei auch die Vertreter der politischen Gemeinden
zu konkurrieren haben, ist nach § 2 des unterm 30. März 1868 erlassenen Gesetzes über
die Vertretung der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinden zu beurteilen.