Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 03
In dieser Absicht ist der Streitpunkt dahin festgestellt
worden, ob die Worte des Einganges Thatsachen und -Beweg-
gründe in der Weise einer Einleitung zu der nachfolgenden
Verfassung erzählen oder ob sie befehlende Vorschriften über
Rechte und Pflichten aufstellen, kurz ob dieselben enuncia-
tiv oder dispositiv'sind'.
Allein damit ist die Fragstellung nicht erschöpft.
Geht man von der Voraussetzung der dispositiven Be-
schaffenheit des Einganges aus, so enthält derselbe folgende
Vorschriften: die genannten Staatsregierungen sollen in einem
ewigen Bunde vereinigt sein, sie sollen dies thun mit ihrem
gesammten, gegenwärtig bestehenden Staatsgebiete, Hessen
jedoch ausnahmsweise nur mit seinen nördlich des Mains ge-
legenen Gebietstheilen, sie sollen durch den Bund die festge-
stellten Zwecke verfolgen und dieser Bund soll einen be-
stimmten Namen führen. und eine bestimmte Verfassung
haben.
Der materielle Inhalt dieser Vorschriften kann. bestehn
bei einer gegensätzlichen Verschiedenheit ihrer formellen
Natur.
Die Vorschriften können in der ersten Alternative als
Vertrag ein vertragsmässiges Verhältniss begründen. In
diesem Falle stehn sich die theilnehmenden Staaten nicht in
ihrer organischen Gliederung zu einer Gesammtheit, sondern
als einzelne, zwar gegenseitig vertragsmässig berechtigte und
verpflichtete aber völkerrechtlich suveräne Staaten gegenüber.
Jede Veränderung der durch die Einleitung selbst begründe-
ten Rechte und Pflichten kann nur im vertragsmässigen Wege
der Uebereinstimmung aller erfolgen, betreffe die Verände-
rung die Zahl der Mitglieder, den Umfang des Gebietes, die
Zwecke oder den Namen des Bundes. Jedem Staate endlich
ı Bähr, die Reichstagskompetenz in den Preussischen Jahrbüchern
Bd. 28 pag. 72 ff. Beseler, die Reichstagskompetenz ebendaselbst pag.
184 ff. Zachariä, zur Frage der Reichskompetenz gegenüber dem Unfehl-
barkeitsdogma. Braunschweig. 1871.