Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 157
vorgenommen werden“, so richtete er sich doch wesentlich
gegen Erweiterungen der Bundeskompetenz, wie sie in dem
Bundesgesetze über Errichtung des Bundesoberhandelsgerich-
tes gefunden wurden. Es war hierbei keineswegs die Absicht
zu behaupten, dass bei Bundeskompetenzänderungen die ver-
tragsmässige Einigung der Bundesregierungen an die Stelle
der für die Bundesgesetzgebung verfassungsmässig im Bundes-
rath und Reichstag vorgeschriebenen Majoritäten zu treten
habe. Vielmehr war der Weg der Gesetzgebung nach Mass-
gabe des Art. 78 der Verfassung anerkannt. Aber es ging die
rechtliche Auffassung dahin, dass die Zustimmung einer Re-
gierung im Bundesrathe zu solchen Verfassungsänderungen
nur erfolgen dürfe nach vorgängiger Zustimmung der partiku-
lären Legislatur d. h. des betreffenden Einzelmonarchen als
solchen unter verfassungsmässiger Mitwirkung der Landes-
vertretung #%. — Der Antrag wurde im preussischen Herren-
hause durch einfache Tagesordnung beseitigt?®. Die ihm zu
Grundeliegende Rechtsanschauung magden mecklenburgischen
Ständen vorgeschwebt haben, als sie ihrer Zustimmung zur
norddeutschen Bundesverfassung die Bedingung hinzufügten,
dass die mecklenburgischen Regierungen in eine Kompetenz-
erweiterung des Bundes, wenn etwa die Befugniss dazu aus
Art. 73 der Bundesverfassung hergeleitet werden möchte,
durch Abgabe ihrer Stimmen im Bundesrathe niemals ohne
vorausgegangene ständische Zustimmung willigen sollten 36,
Sie ist zur Zeit des norddeutschen Bundes weiterhin von Nie-
mandem vertreten worden.
Ein zweite, weiter verbreitete Ansicht 37 ging dahin, dass
34 Nach dieser Auffassung würde es in Folge des Erfordernisses der drei
Viertel Majorität des Bundesrathes zu solchen Verfassungsänderungen der
Zustimmung des preussischen Landtages stets bedurft haben. — Die recht-
lichen Motive des Antrages sind entwickelt im Kommissionsbericht — An-
lagen No. 20 — und in der Debatte — Sten. Ber. pag. 52. —
35 17. November 1869. Sten. Ber. pag. 67.
36 Archiv für Landeskunde der Grossherzogthümer Mecklenburg. 1867.
S. 269 ff.
37 Gegen die sog. Kompetenz-Kompetenz nach no:ddeutschem Bundes-