Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 161 
In der That „es wird keinem Zweifel unterliegen, dass 
wenn man blos eine grammatische oder wörtliche Interpreta- 
tion gelten lässt, dann auch alle möglichen Kompetenzüber- 
schreitungen durch diesen Artikel 78 unter dem Titel der 
Verfassungsänderung gerechtfertigt werden können *!.“ Es 
kam darauf an, um Aenderungen der verfassungsmässigen 
Kompetenzbestimmungen von den Aenderungen der Verfas- 
sung nach Artikel 78 auszuschliessen, solche Umstände heran- 
zuziehn, welche ausserhalb des einer solchen Unterscheidung 
entgegenstehenden Wortlautes der Verfassungsurkunde lagen 
und welchen die Kraft beigemessen werden konnte, das Re- 
sultat der grammatischen Auslegung umzustossen. 
Zu diesem Behufe formulirte man jene drei allge- 
meinen Sätze: 
Niemand kann sich seine Kompetenzen selbst erweitern; 
kompetenz. Beide würden der Kompetenz des Bundes unterliegen ınd nur die 
Initiative zu Gesetzen ausserhalb der Bundeskompetenz würde dem Reichs- 
tage fehlen, dem Bundesrathe als ein ‚Vorrecht zustehn. Der Versuch, diese 
Folgerung dadurch abzuschneiden, dass man sagt, um der Gleichberechtigung 
von Reichstag und Bundesrath willen müsse man bei dieser Auslegung des 
a. 23 die Beschränkung der Initiative des Reichstages auch auf den Bundes- 
rath ausdehnen — Meyer, Grundzüge pag. 56. —, scheitert an der verfas- 
sungswidrigen Voraussetzung allseitiger Gleichberechtigung beider Faktoren. 
(Die Deduktionen in „Kompetenz-Kompetenz?“* pag. 66 sind nicht verständ- 
lich, wenn sie nicht den irrigen Gedanken einschieben, dass a. 23 irgend 
Etwas über die Bundesgesetzgebung überhaupt disponirt, während er dies 
ausschliesslich über die Initiative des Reichstages thut.) 
b.) Für das Verhältniss von a. 2 zu a. 78 besteht folgende Alter- 
native. Entweder istim a2: „DerBund übt dasRecht der Gesetzgebung 
nach Massgabe des Inhaltes dieser Verfassung“ das Wort Verfassung iden- 
tisch mit Verfassungsurkunde, dann ist damit eine Limitation im a. 78. gewiss 
nicht zu gewinnen. Oder der Passus „nach Massgabe des Inhaltes dieser 
Verfassung“ bedeutet insbesondere auch dies: „innerhalb der Bestimmungen 
über die Kompetenz“, dann wäre im a. 2 das Wort Verfassung ausdrück- 
lich mit Einschluss der Kompetenzbestimmungen gebraucht und es wäre un- 
möglich das Wort Verfassung in a. 78 mit Ausschluss der Kompetenzbe- 
stimmungenzuverstehn. Gegen Zachariä, Verfassungsänderung pag. 28 ff. 
41So sagte H.A. Zachariä im preuss. Herrenhaus in der Debatte über 
den Lippe’schen Antrag. Session 1869/70. Sten. Ber. pag. 60. 
A, Haenel, Studien. I. 11
	        
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