Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 165 
gierungen eine gebieterische Aufforderung vor, falls sie dem 
Worte Verfassung im Zusammenhang mit Verfassungsverän- 
derungen einen engern Sinn als sonst beilegen wollten, diese 
Deutung ausser Zweifel zu setzen. Trotzdem erfolgte die 
Annahme des preussischen Entwurfes durch die Regierungs- 
bevollmächtigten ohne jede Aenderung in den hier entschei- 
denden Punkten. 
Das Nämliche gilt von den Verhandlungen des konsti- 
tuirenden Reichstages. Hier gelangte die Frage der Kompe- 
tenzerweiterung im Wege der Verfassungsänderung ausdrück- 
lich zur Kontestation. Aber alle einschlagenden Aeusserungen 
der Bundeskommissare ohne Ausnahme sprachen sich entweder 
direkt für diese rechtliche Möglichkeit aus 4? oder sie konnten 
in ihrem Zusammenhang nur unter dieser Voraussetzung ver- 
standen werden5%. Ebenso die grosse Mehrzahl 5! der über 
Bundesrathes eine weitere sein konnte, jene beschränkt auf Gesetze innerhalb 
der Bundeskompetenz, diese ohne diese Schranke. Daraus folgt denn ein 
Vorschlagsrecht und eine gültige Beschlussfassung des Bundesrathes für Ge- 
setzentwürfe ausserhalb oder über die Kompetenz des Bundes, nur dass sie 
als Verfassungsänderungen eine Zweidrittelmajorität erfordern. Die Kompe- 
tenz der Bundesgesetzgebung als solcher zu Kompetenzänderungen war damit 
unverkennbar gegeben. 
4 Bundeskomissar Hofmann, Sten. Ber. des konst. Reichstages von 
1867 pag. 319. Präsident der Bundeskommissarien Graf Bismarck be- 
trachtet die Einführung der im Entwurf nicht vorgesehenen Reichssteuern 
„‚alsSache der Zukunft und alsSache der Gesetzgebung, sobald wir konstituirt 
sind‘* ib. pag. 139; derselbe sagt darüber, ob man in die Verfassung die 
Kompetenz zur Feststellung von Grundrechten aufnimmt oder nicht: ‚‚Es 
handelt sich — nur um den Unterschied der Gesetzgebung und Verfassuugs- 
änderung, um die Frage: ist zur Einführung dieses oder jenes Grundrechtes, 
dieser oder jener Garantie — erforderlich, dass zwei Drittel der Stimmen im 
Bundesrathe dafür vorhanden sind oder reicht die grössere Hälfte hin ?‘‘ 
50 Bundeskommissar von Savigny |. c. pag. 139. 
5 Miquell. c. pax. 313. 316. 317. Gerber pag. 290. v. Vincke 
pag. 298. Graf Schwerin pag.'302. Wagener (Neustettin) pag. 318. 
Graf Bethusy pag. 319. Erxleben pag. 323. Kratz pag. 352. 
Windthorst-Meppen geht bei Vertheidigung des Kratz’schen Amendements 
von der Möglichkeit der Kompetenz - Verfassungsänderung aus, pag. 353. 
Uebrigens trifft die Bemerkung Scherers — pag. 351 — vollkommen zu:
	        
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