166 Drittes Kapitel.
diesen Gegenstand sprechenden Abgeordneten. Nur ein ein-
ziger Abgeordneter hat mit voller Klarheit die rechtliche
Möglichkeit der Kompetenzerweiterung im Wege der Ge-
setzgebung geleugnet52. Während endlich die negativen
Beschlüsse des Reichstages, welche die in diesem Zusammen-
hang gestellten Amendements ablehnten 53, anerkannter Massen
„Es vergeht fast nicht eine einzige Diskussion über irgend einen Paragraphen,
worin nicht auf die künftige Fortentwicklung der Verfassung hinzewiesen
wird.‘
>> Twesten l.c. pag. 257. 308. 309. Die von Meyer, Grundzüge
pag. 54 Note I., von Rönne, preuss. Staatsrecht $209 Note I. angeführten
Schwarzel.c.pag. 234, Haberkorn pag.239, Ellissen pag. 242 sind
entweder ganz unbestimmt oder geradezu gegen Twesten’s Auffassung. Für
ihn kann höchstens, wenn auch ohne scharfe Präzisirung, noch angeführt
werden Thielau pag.319. Auch Zachariä pag. 240 hat sich direkt über
die Frage nicht ausgesprochen, wie ihm Wagener pag. 241 mit Recht
nachweist.
53 Die im Zusammenhang mit der vorliegenden Frage gestellten und ver-
worfenen Amendements sind:
l. Amendement Zachariä zu art. 2: ,‚Die Bundesgewalt wird
durch die ihr in dieser Verfassung zugewiesenen Kompetenzen bestimmt und
begrenzt. Die im Bunde begriffenen Staaten behalten ihre Selbständigkeit,
soweit sie nicht durch diese Verfassung beschränkt ist; sie haben alle staat-
lichen Hoheiten und Rechte, soweit sie nicht der Bundesgewalt ausdrücklich
übertragen sind.‘
Selbst die Annahme des Amendements würde die Frage, ob eine Abän-
derung der Verfassungsvorschriften über Bestimmung und Begrenzung der
Kompetenzen auf verfassungsgesetzlichem oder vertragsmässigem Wege er-
folgen könne, nicht präjudizirt haben. Die analogen Vorschriften in der
Schweizer — art. 3 — und Nordamerikanischen — Amendement X — Bun-
desverfassung lassen nach Theorie und Praxis eine Aenderung. der Bundes-
kompetenzen in den für jede Verfassungsänderung vorgeschriebenen, nicht
vertragsmässigen Formen zu.
2. Amendement Miguel auf einen neuen Artikel zwischen a. 4 und
5: ‚„‚„Der Bund ist befugt, im Wege der Gesetzgebung auch solche Einrich-
tungen zu treffen und Massregeln anzuordnen, welche auf andere als die im
a. 4 bezeichneten Gegenstände sich beziehn,. wenn dieselben im Gesammtin-
teresse nothwendig werden. Der Erlass solcher Gesetze ist an die für Ver-
fassungsveränderungen vorgeschriebenen Formen gebunden.“
Das Amendeient ist $ 63 der Reichsverfassung von 1849 nachgebildet. Es
geht wie diese — $63 cf. $ 196 — von der Voraussetzung aus, dass eine Aende-