174 Drittes Kapitel.
nach die vertragschliessenden Regierungen sich in der Auf-
fassung einigten, dass die Verfassungsänderungen des Art. 78
auch Kompetenzerweiterungen befassten, so haben sie diese
ihre Auffassung auch in den legislativen Körperschaften aus-
drücklich verlautbart. Sie bildete einen Hauptgrund für die
Opposition gegen die Annahme der Verfassungsverträge in den
süddeutschen Kammern 68, Ist die Annahme trotzdem erfolgt,
rath und Reichstag — über Vertassungsänderungen und in Sonderheit auch
über Kompetenzerweiterungen zu beschliessen‘‘.
68, Bairische Kammern. ı. KammerderReichsräthe. Der
Ausschussbericht über die Verfassungsverträge, Beilagen zu den Verhandlungen
der Kammer der Reichsräthe 1370/71 BandII pag. 127, erkennt ausdrücklich
an, ‚„‚dass nach a. 78 der BV. jede Abänderung dieser Verfassung, also auch
jede Erweiterung der darin festgestellten Bundeskompetenz — abgesehn von
den im Absehnitt V des Hauptvertrages speziell garantirten Bestimmungen —
durch einfache Majorität des Reichstages beschlossen, im Bundesrathe oder
von Seiten der allenfalls dissentirenden bairischen Regierung nur dann abge-
lehnt werden kann, wenn es ihr gelingt, ausser ihren eigenen 6 Stimmen noch
weitere 8 Stimmen für ihre Ansicht zu gewinnen‘‘. 2. Kammer der Ab-
geordneten, Verhandlungen derselben 1870/71. a. Justizminister von
Lutz am 23. Dez. 1870 in der Sitzung des besondern Ausschusses zur Vor-
berathung des von der kgl. Staatsregierung vorgelegten Verfassungsvertrages:
„Die Möglichkeit der Verfassungsänderung und Entwicklung aus sich
selbst soll von den einzelnen Bundesstaaten nicht gehindert werden, es ist
aber kein Zweifel, dass die bairische Regierung dem Landtag für ihre Stimm-
führung im Bundesrath verantwortlich bleibt‘‘. Beilage Band IV, pag. 98 ff.
b. In der Sitzung desselben Ausschusses vom 29. Dez. 1870 wurden die
Anträge von Weis auf neue revidirende Verhandlungen über die Verfas-
sung verworfen, deren No.7. lautete: ‚‚„Abschnitt V des bairischen Vertrages
wolle dahin erläutert werden, dass in den hier erwähnten Fällen dann, wenn
es sich um Angelegenheiten handelt, bezüglich welcher nach der Verfassung
des betreffenden Bundesstaates die Zustimmung der Kammern des Landtages
erforderlich ist, die Zustimmung der Regierung des berechtigten Bundesstaates
nicht genügt, sondern ausserdem auch die verfassungsmässige Zustimmung
der Kammern des Landtages erholt werden muss und dass Gleiches auch dann
gilt, wenn die Zuständigkeit des Bundes auf Angelegenheiten ausgedehnt
werden soll, welche ihm durch die Bundesverfassung nicht übertragen sind.‘‘
l. c..— ec. Der Ausschussbericht, Referent Dr. Jörg, begründet die Ab-
lehnung der Verträge in besonderer Rücksicht auf die stattgehabte Interpre-
tation des art. 78 durch Preussen. Beilagen Band IV pag. 73 ff. — d. Refe-
rent der Ausschussminorität M. Barth: ‚‚Einmal ist die Praxis im